Sonntag, 5. Januar 2014

Die neue Saison

Im Möbelmarkt Schneller Wohnen stand ein Großvater mit Krücken am Schnäppchen-Extender. Wie oft würde er die jährlichen Rabatteröffnungen noch aktiv erleben? Ein mal, zwei mal? Früher war es ihm zuwider, in seinen monomanen Welten durch die Beschaffungen des Alltags gestört zu werden. Inzwischen hatte er die Umbauten der ästhetischen Wohnwelten auch für das Eigene schätzen gelernt. Schade: fast zu spät. Das Recht des Traums, der Phantasie und der Sehnsucht gegenüber den Abwiegeleien der Wirklichkeit.

Gott schenkt den aus den Feiertagen herein gewehten Wellness-Patienten einen Sekt umsonst ein. Man schaut in die vielfältigen Möglichkeiten, junge Künstler bieten Altes als Avantgarde im Kostüm der Prozente, der Literaturautomat legt eine neue CD ein, die Raumbeduftung stellt Wacholderdrosseln in rassig feiner Mineralität bereit. Alles nochmal 20% billiger vom Hoochy-Coochy-Man.  Einer zischt: "Ich hab gleich die Faxen dick!"

Spezereien vom Carbidfischer im Look der Schlammspur von Rübenlastern. Der Alte möchte sonst eigentlich nicht so gern in seiner Haut stecken: Immer dasselbe Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Jetzt aber sieht er wehmütig in das letzte Jahr, als seine Frau noch eifrig dabei war.

Im Eingangsbereich ist eine alte Mutter am Rollator von einer genervten Frau abgesetzt worden. Sehen wir uns im Sommer in der Seniorenresidenz? Ich werde es vergessen. "Danke für jeden neuen Morgen." intoniert die eingeflogene Theatertruppe ironisch.

Er empfindet auch die Ironie dankbar und nimmt noch einen Sekt. Der Livrierte zwinkert ihm zu.

5.1.2014 Klaus Wachowski

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