Sonntag, 28. Februar 2010

Zum Phänomen PG, Lehrer, Autor und Theatermacher

"Als Folge seiner Enttarnung wurde der 63 Jahre alte rumäniendeutsche Schriftsteller Peter Grosz von der Leitung der Oppenheimer Theater-Festspiele entbunden. Grosz hatte die „Aktionsgruppe Banat“ ausspioniert, die von Herta Müllers Ex-Mann Richard Wagner mitbegründet wurde.01.03.2010Der andre kann gar nichts dafür"

Zum Phänomen PG, Lehrer, Autor und Theatermacher

Für ihn heißt die nächste Tür, ohne die er nicht mehr aus dem Gefängnis Schuld kann, Reue. Vielleicht erheben sich dahinter nicht seine Taten, sondern Barmherzigkeit der Opfer.

Mich bewegt schon lange -auch mein Vater hat verschwiegen- daneben die Frage:

Was ist Verrat ?

Wenn Ich und Du zusammenkommen sollen, darf kein stiller Vorbehalt sein. Freundschaft lebt von Offenheit und Achtung.

Der Spitzel spiegelt Achtung und Vertrauen vor. Das Ich öffnet auch seine verletzlichen Seiten im Glauben an den Menschen, an die Möglichkeit von Freundschaft. Und wenn der verlogene Freund den frei geborenen und von Sklaverei bedrohten der Herrschaft ausliefert, begeht er eben das Verbrechen der Mitarbeit im Verbrechen Verfolgung.

Und er infiziert das Vertrauen unter den Menschen -allen Menschen- mit Mißtrauen. Was in der Sphäre der Physis die Gewaltherrschaft des Terrors erreicht, schafft in der der Psyche die Auslöschung durch Heimlichkeit, Heuchelei und List: die Vernichtung des Vertrauens, das die Vorraussetzung einer freien, gleichen und brüderlichen Gesellschaft ist.

Weiter als bei dem Verräter im Privaten wirkt sich Täuschung und Enttäuschung durch den Priester des Wortes aus, durch den Literaten, dem die Leser den Vorschuß besonderer -auch moralischer- Vertrauenswürdigkeit geben. Wie der Mißbrauch durch einen Priester Gottes den Glauben stärker erschüttert als der durch einen Profanen, so zerstört die Lüge durch den -ob zu Recht oder Unrecht- an die Macht der Kommunikationsmittel gekommenen Literaten das Vertrauen in das gesamte System gegenseitiger Verbundenheit in der geistigen Republik, ohne die die physische nicht eine Stunde überlebt.

Das ist neben der ursprünglichen Schuld das schmerzhafte an der öffentlichen Erfahrung von Lüge und verlogenem Verschweigen in Fällen wie Arno Schmidt, Günter Grass und Peter Grosz. Hinzu kommt der tief verletzende Verrat an den in der Zeit der Tarnung erworbenen Freunden.

Ich und wohl eine große Zahl unverbildet an Literatur heran gehender Leser, wir gehen davon aus, dass vor dem Auftritt in der Öffentlichkeit persönliche Schuld in öffentlichen Dingen bereut wurde und das öffentlich.

Denn um den Wert eines öffentlichen Worts für mich auszumachen, muß ich darauf vertrauen können, dass hinter ihm eine des Vertrauens würdige Haltung gegen das Leben steht: Verantwortlichkeit. Ich lese Handke wegen Srebrenitza nicht. Nicht jedes ehrliche Eintreten ist auch ethisch. Was könnte ich von ihm haben?

Aber die Täuscher Schmidt und Grass, die auch mir mit der Miene der Ehrlichkeit und der Geste der Freiheit entgegentraten, haben mich persönlich zu einer Zustimmung benutzt, die ich bei Wissen um den nicht abgeschlossenen menschlichen Punkt nie gegeben hätte. Sie haben mir Werke verkauft, mit denen ich mich nie beschäftigt hätte. Ich hätte anderen Worten und Gedanken meine Aufmerksamkeit und Kritik geschenkt, solchen, die das verdient hätten.

Das Schlimmste: Welchem Literaten kann ich vertrauen? Fliegt dieses Wort aus einer Person oder wurde es aus einer Tube Talent gequetscht?


Und nun höre man den Bauch:

Warmherziges gegen das Recht auf Recht. Karges Wort und aufmunterndes Johlen. Das Herz zischt "Ruhe".  Es trägt Mensch. Über den Wolken muß der Verstand wohl ausdehnungslos sein. 

Schau, die Jugend, wie sie im schweigenden Täter den Märtyrer erkennt! Die Liebe überwindet sogar die Einrede der Ethik. Sie möchte aus tiefer Dankbarkeit hassen. Was hätten sie von Herta Müller oder Oskar Pastior? Ja, sie verzeihen auch den Opfern und die Alternative zum Recht ist wieder Kameraderie.

Aus Kommentaren:

"Peter Grosz ist seit Jahrzehnten ... tätig und l i e ß   s i c h  n i c h t s  z u   S c h u l d e n   k o m m e n."

Was bei anderen Pädagogen eher Animositäten oder Gähnen unter Pubertären zeugt, erweckte hier Sympathie:

"Er ist bei Schülern/Schülerinnen, Eltern und Kollegen beliebt und geschätzt."

Ja, es ist wahr:
"Wer war es denn, der in ruhigen, schüchternen Schülern die Flamme der Selbstentdeckung und Selbstständigkeit gezündet hat?"

Man fragt sich, ob er dergleichen nicht schon während seiner Spitzeltätigkeit tat. Die bekannte Antwort ist die auch hier nicht ausbleibende

"Frage, ob wir zurückblicken wollen oder in die Zukunft!"

Und die Erwartung von Recht, wird von der Barmherzigkeit der Ignoranz gerügt:

"Ich sag nur an die eigene Nase fassen..", und mit Beifall vom Stammtisch der Herzen:

"Richtig so! Es ist eine Schweinerei was da gerade mit diesem warmherzigen Menschen veranstaltet wird."

KULTUR, sonst ein Käsebrot von Schulaufsatz,  bringt plötzlich Demonstrationen
25.02.2010 - OPPENHEIM (aus der AZ):

Beifallrufe und a u f m u n t e r n d e s   J o h l e n  begleiten Peter Grosz um 20.55 Uhr die Treppe hinauf zum Ratssaal, wo der Stadtrat ... entscheiden will. Und als der Lehrer, Autor und Theatermacher eine gute halbe Stunde später das...Stadtparlament wieder verlässt mit der
in karge Worte gefassten Kunde,
dass das Gremium ihn als Leiter der Festspiele offensichtlich ablehne, empfangen ihn nicht nur Fernsehkameras und Mikrofone, sondern auch das vielstimmige Rezitat von Reinhard Meys „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein".

Dann, auf dem Marktplatz, bilden junge Frauen und Männer einen vielköpfigen Schutzwall um ihren Mentor -war er nicht auch einmal Monitor?-
„Mensch"
haben die gut 120 aktuellen und ehemaligen Schüler des Oppenheimer Gymnasiums, heutige und frühere Mitglieder der von Grosz geleiteten Theatergruppen
und mittlerweile etablierte Jungautoren
mit Klebeband auf ihre Jacken und Sweatshirts geheftet...

„Präsenz wollen sie zeigen ...
„Damit können wir ihm ein kleines bisschen von dem zurückgeben, was er uns gegeben hat", so der einhellige Tenor der Menge, in die sich auch Eltern gemischt haben.“

Haben andere haben nicht eben den gleichen Wunsch?

 „Wir wissen nicht, was damals passiert ist", betonen A R und E S die Überzeugung aller ...

Und eben deshalb demonstrieren sie f ü r  ihn.-

„Allen Beteiligten sollte mit Achtung begegnet werden."
In der Erwartung, dass Opfer und Öffentlichkeit nun endlich Ruhe geben.

Ein „herausragender Pädagoge, für den Menschlichkeit und Werte obenan stehen",

sagten das nicht einst auch Freunde, denen er Freundschaft vortäuschte? Hier aber haben Zugehörigkeit und Ethik der Gruppe das Wort.

*

G e w a l t   u n d   Z u n e i g u n g

In Ludwigshafen wird ein schlechte Noten gebender Lehrer ermordet, in Oppenheim ein warmherziger verehrt. Die Botschaft an den Intellekt ist eindeutig.

Die Gewalttätigkeit der Gruppe speist sich aus ihrer inneren Zuneigung (Zugehörigkeit). So ungefähr zitiert Schulz von Thun eine psychologische Erkenntnis aus dem Nachkrieg, einer Zeit, in der noch mit dem Kopf gedacht wurde. (Die Gewalttätigkeit des Amok speist sich dann wohl in Abhängigkeit vom Wert der Zugehörigkeit aus der Stärke der Ablehnung der Gruppe..)

O Liebe!- O Verstand!! Die -plötzliche?-  Liebe der Schüler zu ihrem Lehrer entzündet sich an seinem Leiden. Eben nicht an dem, das er von sich ab auf seine Freunde wälzte, denen er Freundschaft vorgespielt hatte.

Die Fans singen -wie um gute Moralnoten für Allverstehen zu bekommen- einen Reinhard Mey. Sie heften das Wort „Mensch" an ihre Brust.

Nicht an die der Verratenen.

Auch ich war irgendwann einmal jung. Und ich glaube anlässlich solcher Bewegung: mit der gleichen vorschnellen prekären Urteilskraft geschlagen.

Jünger als der unsäglich Verehrte bin ich froh, älter als seine Verehrer zu sein, die, angesichts der von ihm doch angeblich vermittelten menschlichen Werte, vergessen, Reue von ihm zu erwarten.

Für seine getäuschten Freunde erhoffe ich Solidarität der Freien. Sie bleiben eine kleine radikale Minderheit, der Verstand und Anstand keine Antagonisten sind.

Sonntag, 7. Februar 2010

Am Friedhof tschilpt der Frühlingsvogel

Auf den Hügeln wird es grün. Blau dehnt der Himmel die Kälte aus. Vögel üben ihre Flügel.

An der Wurzel der Linde umarmt ein Schneeärmel den Schmutz und legt etwas Schmutz auf die tauende Vergänglichkeit.

Der Regen hat aufgehört. Ein Bächlein läuft geschwind über die Straße benannten Betonplatten und putzt die schwarzen Schuhe. Die wenigen Tränen aber werden in Tempotaschentücher gesaugt.

Es ist noch zu kalt. Man kann die Frühlingserde noch nicht riechen. Die Hände bleiben erstarrt ineinander gesteckt. Die Gesichter, in den Himmel oder auf die Erde gewandt, verschwinden hinter einer eingedickten Miene Ernst.

Aber der Frühlingsvogel tschilpt.

Der Pfarrer leiert toten Text. Die Herrschaft tritt zur Beerdigung eines Dieners an. Ich reihe mich ein unter die tränenlosen Statisten eines ausgelöschten Lebens.

Man hält den Schrecken der Todesmacht nicht aus und flüstert einander Neugieriges zu. Die Angehörigen beobachten uns, wir suchen in unseren Tränensäcken nach Gefühl und Sinn. Von ferne dünn die Glocken. Wer erinnert sich noch an die Botschaft?

Siehst Du die Macht im Ruhestand? Hüte Dich vor der Erfüllung von Wünschen!- Sieh den Kreis der Einsamkeit, der um ein Zentrum von entleertem Ich ausläuft. Ehrfurcht, Furcht wurden ihm vom Leib gezogen. Des alten Kaisers neue Kleider sind nicht durchsichtig. Sie sind von feinstem Stöffchen, machen unsichtbar, unberührbar wie das Alter. Was geschieht, wenn der Herrschaft die Macht über die Entscheidung genommen wird, wenn das Alter kommt, die Unaufrichtigkeit des Grußes wird nicht mehr von Furcht gewürzt ist.

Vom alten Nimbus ist noch etwas da. Nicht bei den geborenen Knechten, die Ruinen scheuen und ihre faule Treue längst zur neuen Herrschaft trugen. Bei den Freien, die er verletzte und bei den ungeschickten Treuen von der alten Art, die noch nie etwas bemerkten. Er ist von ausgebleichtem Plastik. Ein junger Streber wird kommen, ein wenig zu fest zupacken und es zerbrechen. Nicht einmal ein triumphierendes Aufatmen der überlebenden Feinde wird zu hören sein. Ein Knax in einem Turm der Stille. Die Vögel werden ein kurzes „na und!“ tschilpen. Armer Bub. Was haben sie aus Dir gemacht?

Auf den nassen Platten wird der Schmutz des Winters frei. Klein gebrochene Zweige in schwarzen Punkten und Strichen, wenige Blätter, Split rot und schwarz, der unter unruhigen Schuhen in die Oberfläche kratzt. Unter ihnen zermalmt die Zeit die Knochen meines Freundes. Fremd stehe ich unter Fremden.

Wieviele fühlen? In Frieden zu ruhn hatte auch dieser hier nicht vor. Als die Frau unter Tränen aufschluchzt senkt sich eine Glocke Scham über die Wenigen, schützt sie vor unserer Gleichgültigkeit. Es gehört sich, diesen unauffälligen Mannes geköpfter Hoffnung Spalier zu stehen. Er gehörte dazu. Er nahm seine Aufgabe wahr, wie wir es tun, sofern wir Menschen und Leben nicht spielen. Das Räderwerk stockt einen Moment. Du bekommst die Gelegenheit, zu fühlen, nachzudenken, in die Augen eines Anderen zu sehen.

Sieh Dich an: Aus der Grube tschilpt der Frühlingsvogel.

Du hast noch einen Tag.

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...