Freitag, 22. September 2017

Zum Tagebuch 3 Max Frischs

Ein vom Missionswahn erfüllter Evangelikaler drückt mir einen Zettel in die Hand. Ich sollte mich nicht von Gott anwenden, sonst... Ja, was geschehe sonst? Ich würde ihm von Angesicht zu Angesicht begegnen! Aha und na-ja.

Woher will er wissen, daß mir das nicht schon begegnet ist und ich mich gerade deshalb abwende? Woher will er wissen, daß ich mich abgewendet habe? Bin nicht ich gerade dabei, mit Gott über die Ideologie des evangelikalen Fanatismus zu reden? Sie verderben einem die Lust an Glauben. Gesindel, das die Herrschaft erschleichen will, um Menschen nach seiner Vorstellung nieder zu halten. Die würden ihren hoch gepriesenen Jesus verbrennen, wenn sie die Macht dazu hätten. Wo er Nächstenliebe predigte, erfüllt Haß auf die Ungläubigen ihre Mission der Glaubensreklame. Inzwischen versteckt er sich, wenn sie sich aus ihren Tempeln in seine Kirchen verirren.

Max Frisch schreibt an seinem dritten Tagebuch. Seine Haltung gefällt mir. Wieviel älter als die seither verstorbenen Freunde ist er? Und die Toten können die neuen Erfahrungen nicht teilen, was ein Problem sei.

Auch mir kam vor zwei, drei Jahren der Gedanke an diesen Verlust an Welt und an die Veränderung, die das Herausfallen der Freunde aus der realen Gegenwart in die Erinnerung bewirkte. Aber ich stehe davor wie vor einer abstrakten Zeichnung.

Richard, mein Lehrer in Dingen des Fragens. Kannst Du mich noch lehren, wo mich Zeit und Schmerz hinter einen Vorhang aus Traum geworfen haben? F, mir fehlen Deine Zweifel aus Erfahrungen, die Du nie durchleben durftest. H., ich kann mich an Deiner Festigkeit gegenüber der Macht nicht mehr aufrichten. X, in gemeinsamer Angst durfte auch ich mit Dir nach Hilfe und Trost suchen. Es ist problematisch in der Tat. Einsam vor einer mit dem Nichts aufwartenden Zukunft. Die Fragen finden keine Gegenfrage.

Ich habe noch lebende Freunde und Liebe. Aber manchmal vor dem Winter kommt mich ein Frösteln an. Ich schlage den Mantel der Erinnerung fester um mich.

22.10.2017

Mittwoch, 20. September 2017

Bluebird



Bluebird

Das ist Dir na ja: Dieser von Dichtern bezwitscherte Himmel somewhere over the rainbow ist wohl ein zu fein gemaltes Nichts.

Dein Himmel ist eine blaue Schale.

Du nimmst das Leben gern in die Hand. Im Festen liebst Du den Widerstand, im Plastischen spürst und formst Du die Form. Das Tier ist Dir Bruder und Schwester. Die Giraffe groß, die tötende Löwin bewegen sich als Freunde in Deinem Raum. Der Baum hebt seine Äste in deines Lebens Freude, Deine Finger kämmen im weichen Gras. Das Gewicht des Balkens fühlst Du als ein glückliches "Ich bin". - All dies ist!

Glücklich spürst Du die Wirklichkeit in der Kühle des Regens. Land bis zum Horizont. Der Glanz aus dem Weizenfeld erfüllt Dich mit Sehnsucht und Freude wie etwas von Liebe.

Wo andere beten, bist Du geborgen.

Ein Eichhörnchen springt vom Baum, rennt über den Rasen und springt wieder hoch.
Einen Regenbogen möchte ich über Dir ausspannen. Und irgendwo darüber den Vogel Bluebird zeigen.

Du drehst Dich auf den Rücken. Die Luft-matratze quietscht etwas Realität in meinen Versuch von Poesie. Dunkel schlägt eine kleine Welle auf. Du lächelst und hörst.

Unsere Welten berühren sich für einen Augenblick.
Dann atmet die Zeit aus in einen neuen.

Meine Wünsche begleiten Dich.

20.9.17                 Klaus Wachowski

Mittwoch, 6. September 2017

Das hohe Lied der Liebe und des Hasses

Von hoher Liebe
"...und kleine Hitlers, Heydrichs, Eichmamns gab es viele; Sie alle waren schlecht weggekommene, durchgefallene, verkrachte Existenzen, obdachlose, uneheliche, verkannte Genies, erfolglose Streber und Ehrgeizige, die die Chance bekamen großzutun, und Größe und Stärke mit Härte, Gewalt und Brutalität verwechselten.
Fritz Bauer "Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns" Kapitel XII, CEP europäische Verlagsanstalt"

Ein Evangelikaler, einst ein guter Freund, der in seiner Bekehrung schwere Probleme gelöst hat, schreibt auf die Frage, was denn Leben sei:

"Leben ist für mich Liebe und Musik. Und alles ist von Gott geschaffen."

Ich antworte: "ist das der, der gesagt hat: nicht Knecht habe ich Dich genannt, sondern Bruder? den treffe ich öfter mal."

X darauf: "Lüge nicht. Bekehre dich zu Jesus und tue Buße. Sonst hast du keine Chance. Noch eine Gotteslästerung und das Gespräch ist beendet. Ich bete für dich, ich mein's ernst, du Spötter."

Ich: "Klingt nach Hass. Du darfst Dir offensichtlich ein Bildnis von dem machen, was im Himmel ist. Erleuchtet zum Hass.
Ich bete schon selbst, wann, wie und ob ich es für richtig halte. Mein Jesus liebt übrigens die Menschen. Er braucht keinen Gott, um Menschen so richtig hassen zu dürfen."

X: "Ich lese nicht weiter. Sage mir nicht was ich darf und was nicht. Es war schön dich gekannt zu haben. Es gibt nur Himmel und Hölle. Wo willst du hin nach dem Tod? Ich vergebe dir und nun unterlasse es, mir zu schreiben. Ich weiß nicht was du meinst aber Gotteshaß dulde ich nicht auf meinem Telefon. Ich werde schon 'rauskriegen wie man das blockiert."

Was mich immer wieder traurig macht, ist, wenn Freunde, von denen ich glaubte, sie hätten ein den Menschen zugewandtes Fühlen, plötzlich in Haß geraten, wenn ich ein als Modell vermutetes Weltbild anremple, darüber stolpere oder angreife.

"Gotteshass", was auch immer es ist, ist plötzlich schlimmer als Hass auf Menschen, Abfall von der Menschen erlösenden Ideologie rechtfertigt Liquidierung. Auch die besondere Liebe zu Tieren und Familienwerten werden bei kritischen Einwürfen plötzlich zu Sakramenten des Hasses. Sind die von anderen Ideologen verfolgten Weltbilder der Gülenbewegung  und Falun Gong (Aufgeben von Eigensinn - Symbol:Hakenkreuz(?)) nicht eventuell auch von Hass gesegnet? Und der keiner Fliege etwas zu Leide tun könnende Buddhismus mordet in Birma aus Liebe zum Nichts.

Ich glaube, dass hier die nicht erfahrene, verlorene Liebe in einem Ersatzgefühl von überhöhter Zuwendung an ein die Wirklichkeit der prekären Natur des Lebens verabscheuendes Weltbild ersetzt wird. Diese Demut vor dem Größen*- oder Reinheitswahn ermöglicht gerade den Menschenhaß, den die Religion und auch das Weltbild selbst -ablehnen. Wie traurig, daß das wirkliche Leben so wenig Berührung und/oder auch Verlust ermöglicht, daß der Haß oft so viel wirksamer scheint als die unspektakuläre Liebe und Freundschaft einfachen Menschenlebens.

Während ich das schreibe, kocht ein Zuwanderer aus Bihar in Südindien Reis mit Zwiebel. Seine Familie wird er erst in 4 Monaten wieder sehen, um dann zu versuchen im Nichts nicht zu verhungern. Er stellt unter unsäglichen Bedingungen unsere Kleidung her.

Auch daraus läßt sich guter Haß pressen. Zuerst das Weltbild einer reinen Menschheit, dann die hassenswerten Feindtypen herausfiltern und unbarmherzig handeln. Je nachdem wäre das dann wirksam als RAF-Liebe zu den unterdrückten Völkern, hinduistischer oder moslemischer Religionsnazismus, Sippenehre einer Streetgang ppp. Die Möglichkeiten der Verfolgung sind so vielfältig wie die Objekte möglicher Verehrung. Identifikation mit der Übermacht zur Vernichtung des Menschen und der Menschlichkeit.

Der kleine Spießer mit seinen egoistischen Wünschen und Beschränkungen auf das Ich und seinen Kreis von Freundschaft, Nachbarschaft und Familie. Klatsch und Tratsch, Shoppen und Chillen, Maloche und Relax, er und sie sind es, auf die es ankommt. Was auch immer er/sie selbst an Ideologie, unterwürfig-größenwahnsinnigen Glauben, Ideologie der Vernichtung mit sich herumträgt. Für sie und ihn gilt Artikel I von der unveräußerlichen Würde des Menschen. Er ist -besser oder schlechter egal- mein Nächster!

Und so sehr ich ihn für Ego und Wurstigkeit schimpfe, er ist der, für den dieser Bruder Gott Nächstenliebe erbittet, und die -ohne groß nachzudenken- auch fühlt, wer Mensch geblieben ist.
Und alle Reinheit, Größe, Ideal, Gott, die ich glauben soll, überlasse bitte mir! Ich werde sie glauben, wo sie den Nächsten zuerst glaubt.
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*make me great again

Freitag, 1. September 2017

Im Park


Ein großer Brummer, beiger Leib, weite bräunlich transparente Flügel. Sieh mit mir, wie er heran zischt, kurz in der Luft steht und dann in das trockene braune Laub stürzt. Ein anderer tut es ihm nach.

Saftiges Grün auf der zum Teich hinab liegenden Wiese. Wenige Blumen, gelb und rotbraun.

Ein Pärchen mit Decke geht vorbei, verzieht sich hinter die Büsche hinten links. Lektor prüft Literatin in katholischem Land.

Ich liebe die würzige Luft des Spätsommers, die in die würzige Luft des September zieht. Es wird Licht und Duft. Ein junger Ehemann geht nach rechts vorbei.

Der Wind hält den Teich frei von Algen. Eine einzelne Ente schwimmt schläfrig die Insel "Entenfang" an.

Er: Auch ich bin einsam.
Sie: Aber unsere Sehnsüchte gehen nach verschiedenen Horizontalen.
Einsamkeit und Sehnsucht lehnen sich aneinander.
Der Teich antwortet mit einem plötzlichen Schlag aus opaker Tiefe.

Am jenseitigen Ufer steht hellrotbraun ein Reh. Still wie geschnitzt in einen gläsernen Moment Ewigkeit.

Ein weißer Hirsch wurde hier einst ermordet. Fürsten hielten prachtvoll Hof und Jagd, Vergnügen von Hatz und Töten. Den Hirschstecher hätten auch sie bestialisch gefunden. Heute setzen sie Wölfe aus.

Das Reh bemerkt uns und huscht weg. Ist auch das eine Antwort auf Sehnsucht? Sieh das Grün in hundert Schatten und Lichtern, den Raum zwischen Baum und Teich!

Ein Kohlweißling taumelt vorbei. Ein zweiter, dritter. Ein hoher Schrei schießt in die Luft, zwischen das Rascheln herab fallender Blätter, das Knacken trockener Zweige, in die Stille dazwischen.

Zwei große Reiher stürzen aus der Luft herab,  zischen ganz tief über der Wasseroberfläche. Und sind davon.

Die Geschichte neigt sich von einem kühlenden Wind befächelt, dem Ende zu.

Wünschen wir ihr und ihm noch ein weit sich öffnendes Leben, beginnend in einem schrecklich bitteren Kaffeetrinken unter Wahlplakaten.

Klaus Wachowski                  Hessen, 30.8.17

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...