Von hoher Liebe
"...und kleine Hitlers, Heydrichs, Eichmamns gab es viele; Sie alle waren schlecht weggekommene, durchgefallene, verkrachte Existenzen, obdachlose, uneheliche, verkannte Genies, erfolglose Streber und Ehrgeizige, die die Chance bekamen großzutun, und Größe und Stärke mit Härte, Gewalt und Brutalität verwechselten.
Fritz Bauer "Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns" Kapitel XII, CEP europäische Verlagsanstalt"
Ein Evangelikaler, einst ein guter Freund, der in seiner Bekehrung schwere Probleme gelöst hat, schreibt auf die Frage, was denn Leben sei:
"Leben ist für mich Liebe und Musik. Und alles ist von Gott geschaffen."
Ich antworte: "ist das der, der gesagt hat: nicht Knecht habe ich Dich genannt, sondern Bruder? den treffe ich öfter mal."
X darauf: "Lüge nicht. Bekehre dich zu Jesus und tue Buße. Sonst hast du keine Chance. Noch eine Gotteslästerung und das Gespräch ist beendet. Ich bete für dich, ich mein's ernst, du Spötter."
Ich: "Klingt nach Hass. Du darfst Dir offensichtlich ein Bildnis von dem machen, was im Himmel ist. Erleuchtet zum Hass.
Ich bete schon selbst, wann, wie und ob ich es für richtig halte. Mein Jesus liebt übrigens die Menschen. Er braucht keinen Gott, um Menschen so richtig hassen zu dürfen."
X: "Ich lese nicht weiter. Sage mir nicht was ich darf und was nicht. Es war schön dich gekannt zu haben. Es gibt nur Himmel und Hölle. Wo willst du hin nach dem Tod? Ich vergebe dir und nun unterlasse es, mir zu schreiben. Ich weiß nicht was du meinst aber Gotteshaß dulde ich nicht auf meinem Telefon. Ich werde schon 'rauskriegen wie man das blockiert."
Was mich immer wieder traurig macht, ist, wenn Freunde, von denen ich glaubte, sie hätten ein den Menschen zugewandtes Fühlen, plötzlich in Haß geraten, wenn ich ein als Modell vermutetes Weltbild anremple, darüber stolpere oder angreife.
"Gotteshass", was auch immer es ist, ist plötzlich schlimmer als Hass auf Menschen, Abfall von der Menschen erlösenden Ideologie rechtfertigt Liquidierung. Auch die besondere Liebe zu Tieren und Familienwerten werden bei kritischen Einwürfen plötzlich zu Sakramenten des Hasses. Sind die von anderen Ideologen verfolgten Weltbilder der Gülenbewegung und Falun Gong (Aufgeben von Eigensinn - Symbol:Hakenkreuz(?)) nicht eventuell auch von Hass gesegnet? Und der keiner Fliege etwas zu Leide tun könnende Buddhismus mordet in Birma aus Liebe zum Nichts.
Ich glaube, dass hier die nicht erfahrene, verlorene Liebe in einem Ersatzgefühl von überhöhter Zuwendung an ein die Wirklichkeit der prekären Natur des Lebens verabscheuendes Weltbild ersetzt wird. Diese Demut vor dem Größen*- oder Reinheitswahn ermöglicht gerade den Menschenhaß, den die Religion und auch das Weltbild selbst -ablehnen. Wie traurig, daß das wirkliche Leben so wenig Berührung und/oder auch Verlust ermöglicht, daß der Haß oft so viel wirksamer scheint als die unspektakuläre Liebe und Freundschaft einfachen Menschenlebens.
Während ich das schreibe, kocht ein Zuwanderer aus Bihar in Südindien Reis mit Zwiebel. Seine Familie wird er erst in 4 Monaten wieder sehen, um dann zu versuchen im Nichts nicht zu verhungern. Er stellt unter unsäglichen Bedingungen unsere Kleidung her.
Auch daraus läßt sich guter Haß pressen. Zuerst das Weltbild einer reinen Menschheit, dann die hassenswerten Feindtypen herausfiltern und unbarmherzig handeln. Je nachdem wäre das dann wirksam als RAF-Liebe zu den unterdrückten Völkern, hinduistischer oder moslemischer Religionsnazismus, Sippenehre einer Streetgang ppp. Die Möglichkeiten der Verfolgung sind so vielfältig wie die Objekte möglicher Verehrung. Identifikation mit der Übermacht zur Vernichtung des Menschen und der Menschlichkeit.
Der kleine Spießer mit seinen egoistischen Wünschen und Beschränkungen auf das Ich und seinen Kreis von Freundschaft, Nachbarschaft und Familie. Klatsch und Tratsch, Shoppen und Chillen, Maloche und Relax, er und sie sind es, auf die es ankommt. Was auch immer er/sie selbst an Ideologie, unterwürfig-größenwahnsinnigen Glauben, Ideologie der Vernichtung mit sich herumträgt. Für sie und ihn gilt Artikel I von der unveräußerlichen Würde des Menschen. Er ist -besser oder schlechter egal- mein Nächster!
Und so sehr ich ihn für Ego und Wurstigkeit schimpfe, er ist der, für den dieser Bruder Gott Nächstenliebe erbittet, und die -ohne groß nachzudenken- auch fühlt, wer Mensch geblieben ist.
Und alle Reinheit, Größe, Ideal, Gott, die ich glauben soll, überlasse bitte mir! Ich werde sie glauben, wo sie den Nächsten zuerst glaubt.
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*make me great again