Freitag, 2. Dezember 2011

Weihnachtsmärchen 2010



ich schrieb es für Helge Prase. 

Er veröffentlichte es und - starb am  23.12.2010


Im Himmel tief und fern liegt noch ein Rest Blau und Rot. Schon ist das Glitzern der großen und nahen Sterne zu erkennen. Die Mondsichel strahlt ihr Licht in die Eistropfen an den Zweigen.

Die Bäume erstarren in der Kälte zu Stein, die Steine knacken im Frost. Erbärmlich frieren die Tiere. Die Liebe verkriecht sich in Höhlen und Hütten. Die Nächstenliebe klopft an die Tür: Mach Dein Herz auf!

Die alte Weihnachtsgeschichte mit neuen Flüchtlingen fährt in einem tarnfarbenen Bus vorbei ins Abschiebelager. Fern in den Meeren ersticken die Schreie der Verunglückten. Stille steht über dem Brausen der See, über dem Bullern des Busses. Mövenschreie vom Land, das Sirren von gleitenden Flügeln im Wald. Hoffnungslosigkeit vermischt sich mit Hoffnung. Und Hoffnung schlingt sich um Hoffnung.

Meide das Dorf im Land von Tierfreundschaft und Menschenhass! Sie setzen Wölfe und Bären in den Wäldern aus und Killerwale in Ozeanen. Die drei Weisen aus dem Weihnachtsland geben Aktien aus auf den Stern von Bethlehem. Und ein im Ehrgeiz brennender Haß baut an der Bombe.

Gibt es in den Licht- und Duftlabyrinthen der Weihnachtsmärkte noch Herzen, die nicht vom Haben in die Verhärtung gehetzt werden, gibt es im Marktgeschrei der Heil- und Friedens-Bringer einen barmherzigen Seufzer?

Ja!

Da schickt eine Mutter ihr Kind vor, dem Obdachlosen einen halben Euro abzugeben, dort werfen entzückte Erwachsene Silberstücke in den Kasten eines für seinen Reitunterricht fidelnden Mädchens, ja sogar die Aids-Hilfe bekommt ein paar verschämte Euros.  Und siehst Du nicht die beiden jung verliebt Vergnügten spöttisch auf den Strom hoffnungsvollen Egos lächeln und einander heimlich berühren, öffentlich küssen?

Deine Hoffnung ging darauf zuzugehören. Jetzt bist Du alt. Deine Erinnerungen sinken ins Vergessen ein. Von all dem hast Du nicht viel bekommen. Die Nachbarn gehen immer noch fremd an Dir vorbei. Deinen Freund hat seine irre Familie ermordet. Deine eigene Familie schämt sich für den schwulen Verwandten.

Nein, natürlich hast Du nicht vor, Dich in diesem Wald zu töten und in die tote Ewigkeit zurückzukehren. Du möchtest nur der glitzernden Stille lauschen, wie Ihr es in den seltenen Augenblicken berührter Freundschaft erlebtet. Dafür, dass die Welt Dir das ermöglichte, wirst Du dankbar bleiben, so lange die Erinnerung noch nicht ganz aufgelöst ist.

Und danach wirst Du unter dem spöttischen Lächeln der Christen einen Kinderglühwein bestellen. Der polnische Verkäufer -oder ist es ein Ukrainer?- hält Dein Geld nicht für schlechter als das ihre.

Aus den Gärten blinkt der Protz in LED. Was es wohl in diesem Jahr für Feuerwerke geben wird? Aus dem  Wald klingt ein Schuß. Der Jäger schießt dem Wolf die Beute weg. Oder beendet ein Täter sein Werk?

Du wolltest nur für einen Moment Ewigkeit trinken. Aber vom Glück gepeitscht jagen Welt und Mensch durch deren Fluten.

Ich wollte Dir ein Märchen schreiben. Aber die Weihnachtsbeleuchtung aus den Hoffnungen des Ich zerbrach den Zauber des Wortes. Ich wünsche Dir einen anderen Tag, eine stillere Nacht. Im Zimmer Deines Teppichs.

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...