Mittwoch, 8. Oktober 2014

Das Lied von der Klangschale



Geht so: Mütterchen muss in die Stadt. Ihr Kater hat eine Reizblase und will keine Nachtigallen mehr fangen. Und weil die alte Klangschale verrostet ist, braucht sie eben eine neue. Sie kämmt sich, putzt die Zähne, trinkt noch ein Wässerchen Tod und macht sich auf den Weg.

Man kann sie die Straße herunter ächzen hören. Die neuen Busse dürfen Leute ab 70 nicht mehr mitnehmen (Versicherungsschutz). Also hörst Du die Alte die Straße runter keuchen und das kipjatok-kipjatok des Rentnerrollators.

O je, ein Bettler. Die Eiscafe'-Besucher, Schnäppchen-Hyänen, Hundezombies, die Ehrenamtlichen und die Bürgermeister, alle kommen an ihm vorbei. Aber Mütterchen fällt fast hin, weil er sich an ihr Bein gehängt hat. "Ein Rubel, ein Rubel! Was will der Punk, denkt sie", aber man hat ein Herz und gibt halt einen Zehner. Ob er wüßte, wo man hier Klangschalen kaufen könne. Aber er sitzt schon wieder auf Sprung hinter seinem Schild "Börn Aut" und winkt nur unwillig ab.

Gott flüstert ihr ins Ohr:"Versuchs doch mal in der Ikonostase". Das ist so eine Reklametafel für Heiliges hinterm Altar. Hirnbrummen umsonst. Mütterchen lässt sich nicht beirren und geht kipjatok-kipjatok tiefer in die Mall.

Ein Verkaufsladen von der Kette "Nimms Dir" leuchtet in allen Farben. Den Rollator muss sie draußen stehen lassen. Der wuselnde Praktikant ganz freundlich: "Klangschalen? Nö! Sind aus. Aber hier haben wir noch ein paar Reste Ukraine." Babuschka schüttelt den Kopf. Und kijatok-kijatok zum nächsten Wellnesbunker.

Vielleicht gibts so was beim Salafisten. Huu, da steht ja Einer oder Eine mit Augenschlitz in der Burka. Mütterchen muss sich erst mal setzen. "Habt Ihr mal n Schlückchen Tod für ne alte Frau?" Die Gestalt zeigt auf die schwarze Tafel mit der goldenen Säbelschrift und dann auf die Schädel-Auslage: "Leben verboten! Kannst Du nicht lesen?" Kipjatok-kipjatok gehts weiter.

Aber jetzt. Da muss es doch so was wie Klangschalen geben. Der Allesbäck vom sibirischen Pelz hat alles, was man nur aus Teig drehen kann. Nazischwengel, Stalin- und Lenin-bratz, krummen Kohumeini und kaukasischen Kuklux, auch ein paar aufgeschäumte Talibanockerln und ein Päckchen angebrannte Breivixl sind noch da. Der Fischkopf schnappt nach Luft, als er die Alte sieht. "Du schon wieder! Hier gibt es keine, keine und nochmal keine Klangschalen, zum Fascho! Mach Dich weg oder meine Jungs besorgens Dir!"

Echt ätzend, die Stadt. Warum bin ich nur hierher gezogen? Katerchen, Katerchen, ich probiers nochmal für Dich. Da vorne gibts Eso.

Ganz schön steil, die Treppen zur Wiedergeburt! Der Rollo muss mal wieder stehen bleiben. Aber was für ein Empfang! Da gibt es Duft vom Himalaja. Bauchgefühl, Bauchgefühl summt in den Wänden, ein Avatar bietet Hirnmassage an, Guru und Schamanin tollen im Labyrinth und aus den Rockfalten der Urmutter strömt erdige Ewigkeit. Das Beste aber: Türme von Klangschalen mitten unter Heilzapfen und Meridianixeln. Babuschka ist begeistert. Aber siedend heiß fällt ihr unter der Massage ein:"Katerchen, Katerchen! Ich hab uns gestern doch schon eine in die Kühltruhe gelegt."

Nichts wie nach Hause. Vorbei an U-Bahn-Tretern, Hoolspässen vom Pitbull und lustigen Henkern vom Kopf-ab-IS. Daheim wartet Katerchen mit einem Wässerchen Tod.

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