Im
Wüstengebirge
Die Sonne
sengt, die Felsen starren braun. Kein Gras, kein Baum. Höher führt der Weg. Es
wird enger. Von rechts nähert sich ein ebenso schroff abfallender Gebirgszug.
Über dem in der Dunkelheit der Tiefe unsichtbar Tal, Wüste oder Fluss. Kein Weg
führt hinab. Warum ich nicht zurück kann in die Leere der Geburt, weiß ich
nicht. Ein letzter Blick auf die schwarz glänzenden Flügel der unter mir über
der Tiefe schwimmenden Adler. Ich muss hoch.
Als der
Weg fast zu einem Pfad geworden ist, ich um meinen Halt fürchte begegnen sich die Berge. Um die Kurve öffnet
sich eine breit angelegte Treppe, die langsam nach unten führt. Die höher
werdenden Felsen an der Seite begleiten mich auf eine bequemere Straße von
zwei, drei Mann Breite. In den Felsmauern liegen große Mengen von Büchern, das
Schulwissen, das Wissen, die Gedanken und der Welt.
Es ist ein
Traum, die Leute haben keine Masken an bzw. unter der Nase. Seltsam: niemand
interessiert sich für die Schätze des Wissens, Glaubens, der Spekulation,
Lüge der irren und der sehnsüchtigen
Träume. Alle gehen auf Rad, Wagen oder zu Fuß geschäftig durch die staubigen
aber sauberen Straßen. Niemand kümmert sich um mich.
Ein Kind,
mach ein Mädchen oder Jungen daraus, fragt mich. Ich solle mal ein Buch
erklären, das ich gerade in der Hand halte. Ich beginne zu lesen. Es ist eine
Art Gedicht über die ganzen Zeilen auf einer Seite.
Der Traum
endet im Fragezeichen Leben.
Was jetzt
kommt, füge ich bei wachem Bewußtsein an.
Ich schaue
ins Dunkel unter den Gebirgen.
Unten spricht
Herta Müller mit einem Freund aus ihrem Heimweh. Sie trägt auch aus ihren
Kollagen vor. Manchmal gibt es wirkliche, fast begeisternde Überraschung.
In meiner
ideologischen Zeit, als ich den Rebellen aus dem Osten Blindheit für das
Schicksal der Menschen unterstellte, glaubte ich, sie sei "Agentin"
des Imperialismus und so nicht recht bei Verstand und Gefühl. Meine
Vorstellungen musste ich, konnte ich, Gott sei Dank, in einsamen Kämpfen nach
dem Sturz der Herrschaften und in der Begleitung von Freunden berichtigen, aufweichen.
Ich konnte zu mir zurückkehren und anlässlich der Begeisterung meines Freundes
Richard und von M für Herta Müller eines Tages ein Buch von ihr in die Hand
nehmen. Es überzeugte mich nicht sehr. Jetzt, nach dieser Lesung, bei der die Sensibilität
einer Empfänglichkeit für die Welt deutlich wurde, schlage ich das Buch aus der
Felsenstadt erneut auf, staune, höre die Fragen und den Widerspruch des Kindes,
den Ruf der Singvögel aus der Tiefe der Schlucht.
Wohnungen
der Pueblo in den Fels gebaut.
Und schau
an: da im Regal die volltext 4 2009. Interview mit Angelika Klammer...
Manitu
öffnet die Wolken. Im Maisfeld ein Mädchen. Regen beginnt zu regnen. Nimm das
Buch als Schirm innen.
Klaus Wachowski 25.10.2020
P.S.: Die
Traumdeutung des Sigmund Freud würde etwas anderes daraus machen. Für mich
legen sich Erinnerung und Phantasie der Nacht ineinander.