Freitag, 26. September 2014

Herbstanfang 2014

"Ich brauche die Einsamkeit wie die Luft zum Atmen." Er hängt an seinem Drachenschirm hoch über der Autobahn, den kühl schattierten, schon umgepflügten Feldern, über den Büschen mit ausgedünntem Laub, deren erste farbige Blätter im dunkleren Herbstlicht glimmen. Wässrigblau, tief und weitgespannt der Himmel. Im Hintergrund die im dunklen Blau verschwimmenden Berge.

Einen ganzen Tag brauchte ich, bis ich einem Bild meine Leere öffnen konnte.

Nun fühlt sich das Leben wieder kühl an. Nun verspricht die Welt wieder eine Zeit aus Möglichkeit.


Was sieht er da oben? Die Menschen fahren ihre Erschöpfung in das Wochenende ein, das sie mit neuen Projekten, Pflichten, Rausch der Gemeinschaft abwehrt und lockt.

Der Trucker nimmt seinen letzten Kaffee. Unter brüllenden Lachern wird er von seinem Garten im Wald träumen, wo nun die Brombeeren geräumt werden müssen.

Ist das dort am Steuer nicht seine Freundin, die von seinem Freund kommt, und nun in die geregelte Wellness des Samstag und Sonntag einbiegt?

Was macht diesen trockenen Dürren so fröhlich? Er lenkt sein Fahrrad in in die verfallene Kulturbaracke seiner Ausstellung. Wird er einen verstohlenen, von Überraschung noch fröhlichen Blick beobachten, mit den alten Freunden und Neidern wieder ein Gespräch am verrauchten Tisch der Erinnerung führen, die alten ideologischen Schlachten als Mensch-ärgere-Dich-nicht wiederholen können?

Die Luft ist still. Nur in geduckten Büschen kannst Du noch ein Rascheln wie von Igeln, den zerhackten Abschnitt eines Vogellieds hören.

Es ist, als gingen die Menschen miteinander um. Er schwebt hinab ins dunkler werdende Land. In einen Abend voll Kindheit. Leben kann tödlich sein. Tief inhalieren empfohlen.

26.9.2014

Dienstag, 23. September 2014

Achilles und die Schildkröte die

Achilles läuft los. Als er zu dem Stein kommt, an dem die Schildkröte soeben weggegangen ist, erreicht sie gerade den Baum. Als er den Baum erreicht, ist sie zwei Schritte weiter. Als er dort eintrifft, ist sie wieder etwas weiter. Noch näher kommt er. Aber gerade hat sie sich noch eine Winzigkeit von diesem Punkt entfernt.
Erreicht Achilles die Schildkröte nie?

Welchen Streich spielt uns die Vorstellung?

Vielleicht sind wir in eine Falle des Abstraktionsvermögens getappt. Wir stellen uns Punkte vor: Achilles erreicht Punkt x, von dem die Schildkröte sich gerade entfernt. Aber es gibt -außer als Hilfskonstrukt der Vorstellung - nicht wirklich Punkte. Achilles erreicht eine Stelle, an der sich der Körper der Schildkröte noch befindet und von der er sich gerade wegbewegt. Als Achilles hier ankommt bewegt er sich schneller als dieser Körper, schiebt sich an ihm vorbei, bis er ihn überholt hat.
Oder betrachten wir es von Achilles aus: während die Schildkröte sich um einen ihrer Schritte fortbewegt, ist er schon zehn davon gegangen. Kommt er an dem Stein an, von dem sie sich wegbewegt, braucht er nur noch drei, um an der Stelle anzukommen, wo sie sich dann befindet oder vier, um sie zu überholen. Im Augenblick des Überholens stehen beide nicht an einem Punkt der Zeit still, vielmehr befindet sich mindestens Achilles in Bewegung -auch weg von der Schildkröte.
Wenn wir die Zeit einfrieren auf einen Moment, bleibt es bei der verschwommenen Vorstellung, die uns auch die Kamera zeigt: Dieser Teil des Körpers befindet sich an dieser Stelle, ist aber "gleichzeitig" eine Winzigkeit weiter. Er ist da und nicht da, da und gleichzeitig dort.
Was ist nun wirklich? Es bleibt uns wohl nichts übrig, als diese Gegebenheit der Wirklichkeit namens Bewegung akzeptieren und diesem Ergebnis unserer Anschauung mehr Gewissheit einzuräumen als der von unserer Anschauung abgezogenen Logik, die wütend ruft: Es kann nicht gleichzeitig etwas sein und nicht sein.
Und noch einmal anders herum: Dass etwas gleichzeitig an diesem Ort ist und nicht da, sondern am nächsten, bedeutet ja nicht, dass es nicht ist. Dies ist wohl die Möglichkeit, das Rätsel zu lösen: Achilles trifft also soeben am Stein ein, ist aber auch schon ein Stück weiter. Und zwar schon etwas weiter als die Schildkröte, die sich auch von eben dieser Stelle wegbewegt.
Ist also die Quantentheorie, nach der angeblich Teilchen sowohl sind als auch woanders sind, gar nicht so seltsam, sondern nur eine besonders unscharf betrachtete Erscheinung von Bewegung?

Weiterungen: Es gibt keinen Punkt. Etwa die Ecke eines Körpers. Der Teil des Körpers von A, der sich soeben noch hier und schon etwas weiter befindet, ist ja auch Teil des angrenzenten Körperteils, der nun an seiner Stelle ist und doch noch an der alten. Es gibt keine Oberfläche ohne Körper. Versuche sie zu betrachten. Ohne Ausdehnung sind nur die Konstrukte unserer mathematischen Vorstellung, die sehr interessant und hilfreich sind, aber ebenfalls zu Irrtümern über Angelegenheiten der Wahrnehmung führen können.
Rätsel, die Spaß machen. 23.9.2014

Nachbemerkung Achilles:
Gleichzeitigkeit an einem Ort? Also, während die Schnecke sich noch auf Punkt A befindet aber wegbewegt, kann doch nicht Achilles sein und eintreffen?
Erstens ist ein Zusammenstoß nichts Unmögliches, zweitens ist Gleichzeitigkeit an einem Ort nicht ausgeschlossen, wenn es einen Ort, nämlich eine Stelle in der Zeit betrifft. Gleichzeitigkeit ist ja möglich durch das Nebeneinander der Erscheinungen, den Raum. So treffen Schnecke und Achilles sehr wohl gleichzeitig an einer Stelle der Zeit ein - während Achilles die Schnecke überholt - nebeneinander.
Das Rätsel spielt also auch mit der Verwechslung der Bedingungen von Raum und Zeit.

Sonntag, 21. September 2014

Herbst 2014

Ein feuchter Herbst ist gekommen. Tropfen fallen aus den Blättern in Deinen Kragen. Tausend kleine schwarze Schnecken kleben an den Quitten. Was will der neue Tag mir sagen?

Du bückst Dich, sammelst gelb und rot verfärbte Blätter, die sich daheim in braunes Papier verwandeln werden. Du gehst unter einer grünen Allee am Schillerhain, eingehüllt vom unhörbaren Atmen der Bäume, vom grünen Ich-bin. Und die Gedanken fließen in einem kleinen Bach von Erinnerungen. Eine Wolke macht der Sonne Platz. Das Licht macht aus dem Waldweg eine alles versprechende Märchenkulisse. So gehst Du noch einen Weg.

Das Herz schickt eine Sehnsucht aus. Aber die Hunde der Wirklichkeit bellen hinter den Zäunen der Vernunft hervor. Und schnell kommt die Kleine wieder zurück gesprungen.

Ein von Alc und Sex besoffener Jugendlicher reißt die Krone der Zuber-Linde ab. Das soll wohl heißen:"Das Leben geht weiter!" Gut auch ohne Dich...

Verachte Deine Träume nicht! Wie viele flüchten aus den Regionen des Alltags und der Not hierher, um sich auch einmal in einem sicheren Boot treiben lassen zu können.

Was war Dein schönster Herbst? Weißt Du noch, wie er zum ersten Mal in Deinem Bewusstsein aufging? Die frischere, klarere Luft? Das zartere Licht? Die Wehmut im Abendrot? Nun kommt sie wieder, die Zeit, in der Menschen miteinander reden. Die jetzt überall hervorbrechenden und sich erbrechenden Feste. Sie bereiten den Tisch. Du trinkst vom Vertrauen. Eine Stimme in Dir flüstert: Nicht so viel! Aber die Freude schwemmt Dich davon.

Und Du erwachst in einem philosophischen Kater, der Dich fragt:"War das alles?"

Das Leben antwortet auch Dir mit einem neuen Tag.

21.9.2014

Sonntag, 7. September 2014

An einem Bach

Ein Kind sitzt am künstlichen Wasserlauf und betrachtet die auf und ab tanzenden blauen Lichtschlingen im Wasser. Eine hohe Mauer, Sonne, hoher blauer Himmel, ein Rasenstück. So ist das Leben der Virginia, der Anne Sexton und all der anderen Kinder des Erstaunens. Mehr ist nicht nötig.

Die Zeit vergeht nicht, so lange das Leben währt. Zeit und Ewigkeit gehen ineinander auf. Natürlich weiß sie auch, daß leben heißt sterben müssen. Die Zeit steht. Die Wellen blitzen, verworrene Geschichten steigen auf. Träume-

Ein schwarzer Schatten richtet sich auf hinter dem Rücken des Kindes. Für uns erscheint es so, als erreiche er den Himmel. Wir möchten sie warnen. Aber unsere Stimmen bleiben stumm. Ist es der Tod?

Es ist das Sterbenmüssen.

Virginia oder Anne achten nicht auf uns. Ihre Worte lösen sich auf in einem strahlenden, blauen Himmel.

Was haben nun wir, die Menschen der Welt, von ihnen?
So groß wie Fachleute tun ist die Entfernung zu den sich Verlierenden nicht. Wenn wir ihre Worte lesen, erfahren wir unmittelbar dieses Eintauchen in einen Traum. Wir wechseln in die Innenwelt, aus dem Bescheidwissen, das so wichtig für das Überleben und die Erleichterung vom Leben ist, in das Staunen, vor dem alle Wirklichkeit eine andere tiefe Bedeutung erhält. Deshalb geben wir einen ganzen Jahrgang der Fuzzy-Literatur von Buchpreisen und mehr hin, wenn uns zufälligerweise ein paar Sätze aus einem solchen Nachlass auftauchen.

Ist es Dope, ein Raum von Egomanie, Narzissmus, Autismus, Psychose?

Wozu soll eine Antwort auf diese Frage gut sein? Sie machen das Echo der Ewigkeit im Augenblick hörbar. Wir staunen über -
Wellen.
7.9.14

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...