Montag, 31. Dezember 2012
Sonntag, 9. Dezember 2012
Schnee kehren
Aus dem schwarzen
Abend fällt Schnee in meinen Garten. Ich räume die Wege und den Gehweg an der
Straße. Ich bin stolz darauf, dass man über den Gehweg vor meinem Grundstück
bequem und ohne Gefahr gehen kann.
Es taut und dann
fällt erneut Schnee.
Meine Arbeit wird
vom Schnee des Desinteresses ebenso zugedeckt wie die schlechte des
Reimeschmieds. Sie ist für immer weg.
So vergehen wir.
Noch liegen unsere Spuren offen vor den Augen der Passanten. Glaube nicht
daran, dass einer stehen bleibt! Es taut. Und nach einer Generation sich
Erinnernder fällt neuer Schnee.
Noch ist eine
Spur von Richard in den Erinnerungen von Angehörigen und Freunden sichtbar. Die
Gemeinschaft erkennt noch Reste von Spuren der Elefanten und der in das Interesse getriebenen Rinderherden. Schon
wird es wärmer. Und morgen wirst niemand mehr etwas von Deinen ge- und
mißglückten Taten und Gedanken in und unter der Schneedecke erkennen können,
auch in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er sich für Dahingegangenes
interessierte.
Insofern ist der
Trost der Angehörigen, der Tote lebe schließlich in der Erinnerung fort, eine
milde Täuschung. Es bleibt, selbst von den gewaltig in die Beachtung gepreßten,
nichts. Denn die Beachtung wird bei eintretendem Tauwetter wieder eins mit der
sichtbar werdenden Topographie des Gleichgültigen.
Wir wissen es und
drücken unsere Fußstapfen tapfer in den Schnee.
Vielleicht sind
wir aber auch nicht die Spur, sondern tanzende Schneeflocke. Welchen Abdruck
hinterläßt Du in der Retina der Erinnerung dessen, der zufällig gerade jetzt am
Fenster steht und Dich beim Einsinken in den Lichtstrahl seines
Bewegungsmelders sieht?
Aber jetzt wollen
wir die zweite Schopenhauersche Bewegung machen: Wird der Beobachter und Alles
noch sein, wenn einst in unserer Erinnerung Nacht wird?
Was können Moral
und Ehrgeiz raten? Denke an die Giftblasen aus den Sümpfen des Unmenschlichen,
die weite Gegenden undenkbar machen, während das Wirken und Wollen der Opfer oft
nur als allgemeiner Schmerz bleibt und - versinkt. Die Liebe aber ist das
Größte in aller Vergänglichkeit, was mit und in uns verloren sein wird. Ein Kuß
geht aus von einer Sehnsucht. Eine flüchtige Berührung macht die Seele brennen.
Und die Welt verwandelt sich in Wert.
Jetzt! ist es
schön und schrecklich, leben, blitzen wir auf. Jetzt! können wir danken und
fluchen. Es schneit. Komm, wir müssen räumen.
09.12.12
Dienstag, 4. Dezember 2012
Advent 2012
Trübsinnig in das Kerzenlicht starren. An die schweren grauen Wolken draußen denken. Es ist kalt von innen und außen. Getrieben durch die Herbsttage bleibt das Blatt schließlich in einen feuchten und kalten Loch hängen und verwest.
Ich wollte nichts als über das nachdenken, was da draußen geschieht. Aber das Leben treibt mich von Alltag zu Alltag.
Ich male einen schwarzen Wolkenhimmel dunkler. Darunter einen Streifen Blau und grün-braunen Boden. Der rote Rand überm Blau und die gelbe Sonne sind gelogene Hoffnung. Mit einem Regengrau links und einigen schwarzen Flecken taumelnder Raben lasse ich es gut sein.
Und noch eine Beerdigung im Nieselregen. Wer umarmt die Hinterbliebenen? Die Förmlichkeit des Höflichen ist schmerzfrei und taucht Dich tiefer in die Einsamkeit. Bei Aldi kauft und verkauft sich inzwischen die Gegenwart, als wäre nichts etwas wert.
"Nur kein Pathos!" ruft die Gruppe 47 uns aus den 50er Jahren zu und glaubt, dadurch frei vom Nazi-Tonfall zu sein. Ohne Pathos aber killte die SS. Celan wird still gemieden.
Nachrichten. Ist die Gründung eines Staates Palästina ein Glücksfall oder ein Unglück? Angriffe sind nun Kriegshandlungen. Ob das einen Frieden aus dem Geist der Realpolitik ermöglicht? Die Jubler sind mir so verdächtig wie die Aufbrausenden. Es ist schon besser, keine Möglichkeit der Apartheid mehr nutzen zu können. Aber auch sehr schwer, von Staaten des Fanatismus umgeben zu sein wie Polen 1939. Schwebt nun der dritte Weltkrieg über uns,Ihr Jubler und Hasser?
Ein langjähriger Korrespondent aus Nigeria schreibt über die Nation der vierzig Nationen und des Öls. Den Mythos von den Stammeskriegen löst er auf: Ein Nationalstaat bildet sich in den Geburtswehen der Königsdramen Shakespeares, der Borgia-Intrigen, der siebenjährigen Kriege und der Samurai-Schlächtereien Japans. Die Stämme kämpfen nicht mehr um die Herrschaft über die anderen, sondern um ihren geschützen Platz in der Nation. Eine Republik zu bilden und zu halten, wo noch Eliten die die Macht unter einander aufteilen und nicht allgemeine Interessen sie steuern, ist schwierig. Ganz besonders, wo das politische Bild sich an Staaten orientiert, die durch dieses Tal schon durchgegangen sind und sich inzwischen gegen etwas ganz anderes, den Machtverlust des Bürgers an seinen Vertreter, wehren.
Auch in Nigeria bereits Watergate-Tendenzen beim Versuch, eine Republik zu verhindern: das Militär enthauptet zuerst die allgemeine Verwaltung, dann die Polizei, schließlich löst es die Parteien auf. Was helfen Gesetze, wo ihre Beamten entlassen sind. Was ist ein Staat ohne Beamte seiner Verfassung?
Wie gut, auch einmal Gedanken der Klarheit vorzufinden.
Yasukichi berichtet aus seiner Begegnung mit zwei ausländischen Lehrerkollegen. Der Engländer weiß nichts von Shakespeare, der Amerikaner rechnet Stevenson zu den Yankees. Von Strindberg haben sie wohl überhaupt keine Ahnung. Ein Mann des Interesses in der Wüste Ego. Mir gefällt er. Dieser Japaner des Umbruchs nach dem ersten Weltkrieg hat mehr Abendland, via Menschheit in sich, als das Meiste, was mir aus den Feuilletons der Wichtigkeiten entgegenspricht. Eigener Weg bei Sehnsucht aus der Welt. Das zeichnete auch den Lehrer Richard Weber aus, meinen verstorbenen Freund. Spuren eines Englischlehrers in der Winternacht:
"Dem Fuhrwerk, auf dem der Sarg stand, folgte ein weiterer Wagen durch das düstere, winterliche Viertel zum Krematorium. In dem leicht angeschmutzten hinteren Wagen saßen Jukichi und sein Cousin, ein Student. Ihn machte das Schaukeln nervös. Er sagte kaum ein Wort, denn er hatte sich in ein Buch vertieft. Es war eine englische Übersetzung der Erinnerungen Liebknechts." (Genkakus Bergklause von Ryonosuke Akutagawa Januar 1927)
Die Kerze leuchtet warm in den Sonntag. Ein Lichtschein auf meiner Malerei. Die Raben fliegen auf in die düsteren Wolken. Ihr Schrei ruft zum Aushalten. Die Flügel im Wellenschlag. Ein Rest Himmel wirft helle Streifen auf das Land. Man hört das Gurren der Tauben von Klagenfurt.
Ein Klub von alten Kopfnickern trifft sich zu einer Weihnachtsfeier. Feinschnecker, Genießer stillen Privilegs. Schlemmer und Wichtigkeiten. Das Kind läßt sich flach auf den Boden fallen.
Ich wollte nichts als über das nachdenken, was da draußen geschieht. Aber das Leben treibt mich von Alltag zu Alltag.
Ich male einen schwarzen Wolkenhimmel dunkler. Darunter einen Streifen Blau und grün-braunen Boden. Der rote Rand überm Blau und die gelbe Sonne sind gelogene Hoffnung. Mit einem Regengrau links und einigen schwarzen Flecken taumelnder Raben lasse ich es gut sein.
Und noch eine Beerdigung im Nieselregen. Wer umarmt die Hinterbliebenen? Die Förmlichkeit des Höflichen ist schmerzfrei und taucht Dich tiefer in die Einsamkeit. Bei Aldi kauft und verkauft sich inzwischen die Gegenwart, als wäre nichts etwas wert.
"Nur kein Pathos!" ruft die Gruppe 47 uns aus den 50er Jahren zu und glaubt, dadurch frei vom Nazi-Tonfall zu sein. Ohne Pathos aber killte die SS. Celan wird still gemieden.
Nachrichten. Ist die Gründung eines Staates Palästina ein Glücksfall oder ein Unglück? Angriffe sind nun Kriegshandlungen. Ob das einen Frieden aus dem Geist der Realpolitik ermöglicht? Die Jubler sind mir so verdächtig wie die Aufbrausenden. Es ist schon besser, keine Möglichkeit der Apartheid mehr nutzen zu können. Aber auch sehr schwer, von Staaten des Fanatismus umgeben zu sein wie Polen 1939. Schwebt nun der dritte Weltkrieg über uns,Ihr Jubler und Hasser?
Ein langjähriger Korrespondent aus Nigeria schreibt über die Nation der vierzig Nationen und des Öls. Den Mythos von den Stammeskriegen löst er auf: Ein Nationalstaat bildet sich in den Geburtswehen der Königsdramen Shakespeares, der Borgia-Intrigen, der siebenjährigen Kriege und der Samurai-Schlächtereien Japans. Die Stämme kämpfen nicht mehr um die Herrschaft über die anderen, sondern um ihren geschützen Platz in der Nation. Eine Republik zu bilden und zu halten, wo noch Eliten die die Macht unter einander aufteilen und nicht allgemeine Interessen sie steuern, ist schwierig. Ganz besonders, wo das politische Bild sich an Staaten orientiert, die durch dieses Tal schon durchgegangen sind und sich inzwischen gegen etwas ganz anderes, den Machtverlust des Bürgers an seinen Vertreter, wehren.
Auch in Nigeria bereits Watergate-Tendenzen beim Versuch, eine Republik zu verhindern: das Militär enthauptet zuerst die allgemeine Verwaltung, dann die Polizei, schließlich löst es die Parteien auf. Was helfen Gesetze, wo ihre Beamten entlassen sind. Was ist ein Staat ohne Beamte seiner Verfassung?
Wie gut, auch einmal Gedanken der Klarheit vorzufinden.
Yasukichi berichtet aus seiner Begegnung mit zwei ausländischen Lehrerkollegen. Der Engländer weiß nichts von Shakespeare, der Amerikaner rechnet Stevenson zu den Yankees. Von Strindberg haben sie wohl überhaupt keine Ahnung. Ein Mann des Interesses in der Wüste Ego. Mir gefällt er. Dieser Japaner des Umbruchs nach dem ersten Weltkrieg hat mehr Abendland, via Menschheit in sich, als das Meiste, was mir aus den Feuilletons der Wichtigkeiten entgegenspricht. Eigener Weg bei Sehnsucht aus der Welt. Das zeichnete auch den Lehrer Richard Weber aus, meinen verstorbenen Freund. Spuren eines Englischlehrers in der Winternacht:
"Dem Fuhrwerk, auf dem der Sarg stand, folgte ein weiterer Wagen durch das düstere, winterliche Viertel zum Krematorium. In dem leicht angeschmutzten hinteren Wagen saßen Jukichi und sein Cousin, ein Student. Ihn machte das Schaukeln nervös. Er sagte kaum ein Wort, denn er hatte sich in ein Buch vertieft. Es war eine englische Übersetzung der Erinnerungen Liebknechts." (Genkakus Bergklause von Ryonosuke Akutagawa Januar 1927)
Die Kerze leuchtet warm in den Sonntag. Ein Lichtschein auf meiner Malerei. Die Raben fliegen auf in die düsteren Wolken. Ihr Schrei ruft zum Aushalten. Die Flügel im Wellenschlag. Ein Rest Himmel wirft helle Streifen auf das Land. Man hört das Gurren der Tauben von Klagenfurt.
Ein Klub von alten Kopfnickern trifft sich zu einer Weihnachtsfeier. Feinschnecker, Genießer stillen Privilegs. Schlemmer und Wichtigkeiten. Das Kind läßt sich flach auf den Boden fallen.
Sonntag, 18. November 2012
Ernst-Reuter
Ernst Reuter, der
auf Straßenschildern vergessene Bürgermeister Berlins, war in jungen Jahren
Funktionär der Republik der Wolgadeutschen.
Der
Rußland-Deutsche Heinrich Miller geht die Straße lang. Die Füße sind kaputt,
daher an zwei Krücken.
Ja der Stalin
wollte uns alle weg machen, weil der Hitler den Krieg mit ihm angefangen hat.
Belogen. Ham uns alle belogen. Nach zwei Monaten, wenn der Krieg vorbei sei,
sollten die Deutschen wieder zurück an die Wolga.
Der Junge drückt
auf den Knopf und stellt sich vor, wie die Rakete in einem Hotel Tel Avivs
explodiert und die ganzen westlichen Teufel in einem Feuerball verbrennt.
"Verdammt", zu früh abgedrückt. Der Soldat hat das Baby getroffen.
"Trud-Armee?
Ja!", er lacht: bei Semipalatinsk oder wo musste mein Vater Bäume fällen.
Die müssten bis zu den Knöcheln im Wasser stehn. Nach einem halben Jahr war er
lahm und musste heim. Im Frühling musste er nochmal zwei Jahre raus. Der Stalin
und der mit dem Bart, der Kalinin, die ganzen Herrn. Die haben uns gehasst. Im
Meer wollten sie uns ertränken. Da sind Tausende, Knochen schwimmen da unten im
Meer. Die Jekaterina hat uns auch belogen. Zu den Tartaren hat sie die
Deutschen geschickt, die ham sich lustig gemacht und die Männer und Frauen mit
ihren Pferden tot geschleift.
Menschen sterben
in Israel, Menschen sterben in Gaza. Wer ist schuld?
Wird eines fernen
Tages, einer fernen Straße ein Alter von Hartz IV Dir den Spiegel vorhalten
können: "Bei der Stadt, beim Kreis hab ich gehört: Geh doch zurück!"
Die Araber/Juden haben meine Familie umgebracht. Alle haben zugeguckt, wie das
Land ausgelöscht worden ist: Ihr, die Amis, Russen, Chinesen.
Ein
Sonntagsspazierer mit Hund geht vorbei. Was haben denn die mit dem Russen?
Was weiß ich,
woher wir kommen. Die Voreltern meiner Voreltern? Ihr wißts doch auch nicht.
Sechzig Jahre hab ich gearbeitet, Im Stahlwerk, die Stampfmaschine hat man fünf
Kilometer gehört, der Boden hat gezittert, das Öl hat gezischt und Flammen
geworfen. Das war nicht schlimm, aber der Rauch, der Dampf.
Dann hat der Kohl
uns geholt und die Hälfte von meiner Rente. - Macht mit der Krücke ein Zeichen
für X auf den Boden. Die ersten, die gekommen sind, haben noch alles gekriegt.
Wir waren im letzten Wagen vom Zug. Für uns gabs - nix. Lacht. Ich könnt ein
Buch schreiben.
*
Ich sitze im Café`
und möchte schreiben. Aber in Israel wird getötet. Der iranische Fanatiker
spielt mit der Atombombe und das Leben der Welt hängt an dem seidenen Faden der
Vernunft, der den Mächten der Welt uno-egal ist. Sie haben andere Sorgen.
Ich könnte ein
Buch schreiben, sagt der verachtete Mensch. Er kann es nicht. Ich kann es
nicht. Angeblich ist die neue Jugend der Welt besser. Waren nicht wir die
enthusiastischste Jugend der Welt? Da ist wenig Hoffnung. Aber sie ist größer
als Null, so lange noch ein Sonntagsspazierer sich fragt: was wollen die nur
mit dem Russen?
18.11.12
Er liest
Weihnachten im Kaufhaus
Auf Knopfdruck
ein Projektil abfeuern: Figur einfach in die Box stecken und schon ist Batman mit
Rüstung und Waffe ausgestattet.
Die Antifa hat
schon teilweise Recht: in jedem von uns steckt von Kind auf ein Nazi.
Insbesondere, wenn wir Ordnung lieben.
Anders rum: Figur
einfach in die Box stecken und schon ist Super-Ali mit Sprengstoff-Gürtel und
Iran-Rocket gerüstet.
Oder:
Monster-Power in Deiner Hand:
Der Core als
wichtigstes Element im Monsuno-Spiel. Diese Kapsel verfügt über eine schnelle
Dreh-Action und enthält verborgen in ihrem Inneren ein mächtiges Monster.
Treffen zwei Cores bei der Dreh-Action aufeinander, brechen die Monster daraus
hervor.
Der wilde Core
ist die stärkste Waffe im Monsuno-Kampf. Aktiviere den Wilde Core per
Knopfdruck und beobachte, wie dieser sich durch den Einschlag des Cores
aktiviert.
Mit Hilfe des original
Monsuno-Launchers können die Cores durch einen einfachen Handgriff zum Drehen
gebracht werden. Rooaaar!!!
Nicht übel
antwortet der Nachbar:
Mit dem Air Ace
Zoopa 300 3-Kanal Helicopter für hundert Euro Nachbars Garten ausspionieren und
eigene Duftmarken platzieren. Mit dem "drone 400 Quadrocopter" sich
ultraheiße Rennen in Wohnzimmern liefern.
Aber schütze Dein
Revier mit dem Air Hogs Battle-Tracker oder dem Hover-Assault. Auch der Mega
Masters Robo Blaster, ein extrem gelenkiger Kampfroboter mit Raketenwerfer ist
hilfreich mit coolen Spylights. Freut Euch, Ideologen, Liquidatoren der reinen
Lehren: der Weihnachtsbaum erstrahlt.
Und wofür das
Alles?
Mit dem
Lilifee-Friseurspiel hast Du die wichtigsten Utensilien immer dabei. Der
Staubsauger hat kindgerechte Funktionen mit zweistufiger Saugkraft-Regelung.
Ken kommt vom
Wilde-Core-Vergnügen. Er wird zum Dating-Fun-Ken. Er wechselt seine Kleidung
-und Frisur- im Handumdrehen und ist so immer perfekt gestylt. Mal feiner
Anzug, mal Edel-Kaftan. Zusammenklappbar
für das Glamour-Spiel unterwegs. Bitte nicht öffnen!-
„Belogen“, sagt
ein Rußland-Deutscher in der Ernst-Reuter-Straße.
Freitag, 2. November 2012
Zeemann wer war das noch?
Dorothea Zeemann schreibt über den vielleicht zum Faschismus bekehrten Nazi Doderer "Jungfrau und Reptil". Suhrkamp veröffentlicht 1982. Sie hatte eine sexuelle Beziehung zu dem Berlusconi-Galan und breitet so ihre Gedanken über ein Leben der Anschmiegung an den Ruhm einer Art von Holzmichel aus. Eine elend lange Beschreibung. Es fiel einiges an Beziehung ab. Ja, sie wurde PEN-Vorsitzende.
Aber was hat sie gesagt? Was hat sie denn nur gesagt?
02.11.12
Aber was hat sie gesagt? Was hat sie denn nur gesagt?
02.11.12
Donnerstag, 1. November 2012
Verkannte Literatur
Selbst nicht
gerühmt lese ich von dem verkannten Literaten Gogolin. Hochgeschwemmt und
ausgelaugt. Er habe es besonders mit der Wahrheit.
Allerheiligen. Was
soll ich sagen?
Die Wahrheit wird
in vielen Oberflächen gespiegelt. Es gibt grottenschlechte Spiegel. Aber auch
sehr viele gute. Und auch gute Spiegel werden wieder weggestellt, wenn es Mode
oder Laune verlangen. Nahmen sie nicht selbst einmal anderen den Platz?
Wir spiegelnden
Oberflächen müssen darauf achten, nicht beleidigt zu sein, wenn man uns wegstellt
oder gar nicht erst hervorholt. Wenn wir uns nicht oder nicht mehr in einem
grottenschlechten Spiegel wiedergespiegelt sehen müssen, weil wir mit vielen
anderen auf das Weg-Geräumt-Werden warten.
Vielleicht können
wir dann endlich – sein. Und weiterhin tun, was wir taten: spiegeln und nicht
spiegeln.
Für ehrliche
Spiegel das schwierigste ist, vom Spiegel wieder zur Person zu werden, mit dem
Ich und Du wieder zu beginnen.
Eine Literaturmaschine,
die einst an der Börse brokte, hat sich des ebenso einst wie sie berühmten Mannes
in der Zeitschrift volltext angenommen. Die Folge ihres vom Willen diktierten Lobs ist ein Zweifel.
Klaus Wachowski 01.11.2012
Samstag, 29. September 2012
Remind
An einem Tag im Jahr 1919 fährt der Dichter Ryonosuke Akutagawa im Zug nach Tokyo. Der Anblick eines grob gestrickten Bauernmädchens, das sich ausgerechnet ihm gegenüber hinsetzt, die Zeitungsartikel mit langweiligen Berichten des Wichtigen. Alles erscheint unsäglich, ver-drießlich, gemein und langweilig.
Bis aufgrund einer unerwarteten Handlung des Mädchens, die ich hier nicht wiedergebe, sich plötzlich ein Schein von Freude und Wunder in der Welt der ausgelaugten Aufmerksamkeit ausbreitet.
Ich grüße Dich über fast hundert Jahre hinweg. Man raucht nicht mehr in der Bahn. Sie ist schnell und unzuverlässig geworden. Und die armen Bauernmädchen mit dem Sixpack brüllen Dich an, wenn Du etwas zu lange hinübersiehst.
Aber als ich in der Zwerchgasse ausgelaugt von meiner Arbeit dem Alzeyer begegne, erscheint auch mir das Leben wie ein ausgelaugter Herbsttag. Im Vorübergehen versuche ich, seine Gesichtszüge zu entziffern. Es ist ein Buch von vergilbten Blättern, voll von verschmierten Lettern. Mich nimmt er wohl ebenso als rasch sich verlierende Erinnerungsspur in seiner Ziellosigkeit wahr.
Wer wird sich an Dich erinnern, wenn wir die Reden der Scham und der Erinnerung halten? Ein Mädchen sagt, sie werden doch nicht alle umbringen! Und Schwester und Freundin sinken ihr weinend in die Arme.
Ein Dichter sieht Gottes Tränen. Der aber sagt: ich weine nicht!
Vergiß, daß Du ein Dichter bist, und sieh dem Luftmenschen von Alzey in die erschöpften Augen.
Wir singen das Lied Donna Donna, welcher Refrain ursprünglich auf Adonai ging.
29.09.12 Klaus Wachowski
Donnerstag, 31. Mai 2012
Pfingstmontag 2012
Dies an die Welt.
Sie hat nicht darauf gewartet?
Ja, wartet sie denn auf Dich?
Nimm die Liebesposition Nr. 9 ein und warte auf Erleuchtung. Es ist die Zeit der lila Blüte: black velvet am Rand von Legumerbsen-feldern.
Holunderduft aus der Kindergartenzeit. Ich war braver als die Literatur erlaubt. Die Mauer des Stadtgartens war rot. Aus dem schattigen Grün schaute ich im Himmelsblau die Weite der Welt.
Und so sitze ich noch heute: die Welt fällt durch meine Augen.
Ich trinke bitteren Kaffee und herben Wein. Wir sammeln Holunder und ich süße mit seinem Syrup den Tee aus Darjeeling. Es duftet von einer roten Mauer wie Frieden und Freundlichkeit.
Ein schwarzer Raubvogel zieht über grünen Hügeln Kreise. Eine Kolonie von Raben sitzt auf den Pfosten eines Weinbergs. Ein Kuckuck ruft nach einem Kuckuck.
Dann huscht ein Schatten über Land und Gesicht. Eine Wolke aus Weiß hat sich vor die Sonne geschoben. Es gibt auch Regen.
Gieße ihn in den Gesang der Amsel. Ihre Triller vibrieren in den Systemen der Regenwürmer. Und ich rieche den Duft von feuchter Erde.
Wir fahren in das Städtchen Kirchheim-Bolanden ein. Da brechen die Pfingstgottesdienste in allüberschallendes Glockenläuten aus. Es klingt mir wie der Name des Wunders Leben. Touristen und Einheimische finden die Unterbrechung ihres Wichtigkeitsplau-schens etwas übertrieben. Kalt und süß schmeckt das Eis aus der Kinderzeit.
Schön die Geste und die brachiale Stimme des Italieners vom Tisch 6.
Ein Liebespaar, heimlicher Ehebruch und Rausch des Glücks in zerfurchtem Gesicht und prallen Rollen des six-pack. Das Num-mernschild verrät den Ort Eurer Flucht in die Position Nr. 9.
Ich denke an das Buch von Grossman, das Du mir mitgebracht hast. Schauen macht einsam. Und fiele die ganze Welt in Deine Seele. Und redete ich in Menschen- und in Engelszungen, und hätte der Liebe nicht. Es wäre ein tönend Erz und eine klingende Schelle.
Du fragst mich etwas. Ich gebe etwas zurück aus dem Schatten auf meinem Gesicht. Gelbe, winzige Blüten färben das Gras am Weg-rand. Schau!
Und zurück fahren wir durch den Duft des Holunder.
Wir setzen uns erschöpft in das schattige Grün eines Apfelbaums und essen von den Früchten der Welt. Das Wort zwischen uns ist wie ein Umarmen.
Ich gieße vom Holundersyrup in meinen Darjeeling und denke es, dieses pathetische Wort.
29.05.12 Klaus Wachowski.
Montag, 21. Mai 2012
Tonwertstudie
Unter den Lastwagen lege ich etwas Gewinnerwartung an, für die daneben humpelnde Figur verwende ich eine Grundierung von Trauer mit etwas dunkelgrauer Gleichgültigkeit vom Alltag. Das Geheimnis besteht in einer ausreichenden Verdünnung mit Tränenflüssigkeit.
Der alte Chef stolpert neben dem LKW die Straße entlang und schlenkert zum Ausgleich der jeweiligen Stolperer mit den Armen. Einst war er gefürchtet. Keiner im Amt wagte es, ihn um etwas zu bitten. Jetzt kämpft er gegen den Zerfall an.
Was hatte er sich denn erhofft? Er kann fernsehen ohne Werbung. Er ist geschieden, braucht keine Rücksicht auf eine Frau zu nehmen. Das Haus hält eine billige Nachbarin sauber.
Er ist nach seiner Pensionierung plötzlich depressiv geworden. Auch heute redet niemand mit ihm. Er braucht auch heute niemanden. Aber plötzlich ist da lähmende Gleichgültigkeit.-
Und jetzt ist auch noch die Krankheit gekommen, die ihn durch eingegraute Einsamkeiten wanken läßt.
Dieser Lastwagen aber steht weiß gewaschen und blitzend im Sonntag. In ihm wartet die Hoffnung auf eine Geschäftserweiterung, auf Glanz und Triumph in der Gesellschaft der Streber.
So wankt das Unglück an der Hoffnung entlang, so wartet die Hoffnung, dass das Unglück vorbei geht. Und der Himmel fragt Dich nach dem Sinn Deines Lebens immergleich.
Woher soll er die Antwort wissen? Sein Kopf ist so leer wie der des gefeierten Dichters. Im Basiliskenblick des ungelebten Lebens, das sich vor den Anforderungen von Liebe und Last in die Betrachtung geflüchtet hat und vertrocknet in den Sonnen- und Regen-Frühling einer dürstenden Aufmerksamkeit raschelt.
Der vergessene, jeder jugendlichen Provokation hilflos ausgesetzte Provinz-VIP dauert mich schon. Dieses sich Durchwursteln durch den Raum des Desinteresses, hat es nicht auch lange Phasen meines und Deines Lebens vernichtet? War es aber nicht vielleicht auch eine Phase der Erholung von schreienden Hoffnungen?
Gewiß ist die Zeit und die Vielfalt des Lebens begrenzt. Aber es gibt auch jene zeitlosen Augenblicke, in denen wir plötzlich erkennen: Hallo, das, was da in einer depressiven Tönung der Zeit durch den Raum Leere stolpert, das bin ja ich! Und ich spüre Schmerzen in den Füßen und Trauer in meiner Hoffnung. Ich spüre Ich und die Sehnsucht nach einem Du. Und Himmel und Erde haben Farbe und blitzen von Regen, Sonne, Traurigkeit und Freude.
Zur Abrundung des idyllischen Eindrucks ziehe ich einen Bogen weißer Rosen aus Moldau an grünem Zweig über die Denkfigur. Ein paar geschickt gesetzte Glanzlichter vom Bachelor vollenden schließlich das Werk Hoffnung.
Klaus Wachowski 21.05.12
Sonntag, 29. April 2012
Mrs Du Valle auf 5
Ich gehe den
Fünfer und die Wanderer glotzen mich an wie Taliban den heiligen Rock. Es ist
nicht gut, dass der Mensch allein sei unter Menschen. Mrs. Dalloways Gang durch
die Welt aus Glas fällt mir ein und ich beschließe Mrs. Du Valle den 5er gehen
zu lassen.
Sie hört die
Vögel und sie hört sie nicht. Sie sieht das helle Grün der austreibenden Buchen
und fühlt - nichts. Sie geht. An der Wegbiegung steht ein älteres Paar. Es
verstummt, als es sie gewahrt. Sie bleiben stehen und mustern sie, als sie
vorbei geht. Vor einem Mann wären sie aufgebrochen und zügig weitergelaufen.
Etwas weiter
sieht sie hinauf durch die Baumkronen. Blauer Himmel mit bewegter weißer
Wolkenwatte. An manchen Stellen dunkle Löcher, es sind wohl schwerere Wolken.
Ein Wind ist
aufgekommen und die Wipfel schwingen und schwanken ein verwirrendes Muster. Sie
sind noch nicht geschlossen, die Zweige tragen grüne Zacken von knospenden
Blättern. Einen Augenblick taucht Mrs. Du Valle in das Gefühl "kindliches
Staunen" ein. Aber schon spürt sie davon nur noch ein flüchtiges Lächeln
von Erinnerung. Sie wendet sich weiter. Die Alten, die -anderen- Alten haben
sie inzwischen wieder überholt. Nun kann sie langsamer gehen.
Die Bäume
strecken Knospen, Blätter und unscheinbare Blütenkränze von Hellbraun in den
Weg. Aus dem Boden schießen die Blattlanzen der Maiblumen. An sonnigen Stellen
leuchten erste barock geschwungene Maiglöckchen aus den dunklen Teppichen. An
einem Blättchen bemerkt sie einen Kranz feinster weißer Härchen.
Warum entdeckt
sie es nach 60 Frühlingen in diesem Jahr zum ersten Mal? Es gehörte zu den
unwichtigen Dingen. Wichtig war, nicht allein zu sein oder vielmehr: zusammen
zu sein. Nun, wo sie allein ist, wird die Welt mit ihren Wundern wichtig. Der
Duft, den sie nicht riecht, der Gesang, den sie nicht hört. Vor Einsamkeit. Wie
sehr ersehnt der Mann, die Frau in der Beziehung die Freiheit! Aber wie zum
Sterben einsam ist die Freiheit! Sie denkt an ihr bekannte einsame Männer und
Frauen. Deren Leben ist entweder an die Herkunftsfamilie und an die Liebe zu
den Kindern geknüpft oder ein Leben der zeitlosen dahin-Erwartung. Sie haben
die Suche aufgegeben, sie betäuben die Sehnsucht mit Alc, Arbeit, Moral oder
Sex. Aber sie fürchten auch die Berührung, die sie ersehnen. Sex hilft, aber
der Spaß ist es nicht ganz. Eine Massage macht so wenig Liebe wie vibrierende
Atmung nach der Methode Hindustan im "Babbit" des S.Lewis. Wer, der
selbst die Angst vor der Einsamkeit spürt, würde die verzweifelten Methoden der
Wellnes zur Überbrückung des Abgrunds verachten? Sie jedenfalls nicht, deren
Freundin immer einmal in die eiskalten Erfrischungen des Ich springt und ihr
großzügig Zeit für das Gleiche einräumt.
Da vorne an der
Bank zur schönen Aussicht trifft sie ihr Paar wieder. Zwei andere Alte stehen
dabei. Unmöglich, sich hier hinzusetzen. Als sie rasch vorbei ist, die
steinigen Fußpfade zum Rückweg hinter sich hat, sichtet sie die aufgefangenen
Gesprächsfetzen von Gesundheit und Talkshow. Wie abgrundtief langweilig!
Aber redet sie,
wenn sie mit X unterwegs ist und andere Leute trifft anderes? Es sind doch die
nächsten Themen des Außen, wenn man innen voll ist. Es verbindet die
Nachbarschaft der Menschen zu einem Netz der Friedlichkeit. So kann der Druck
aus den Beziehungen kontrolliert ins Unverbindliche abgelassen werden. Und man
braucht keinen Suff oder die raffinierteren kulturellen Rauschmittel.
Jetzt, allein,
haßt sie all das Spießige, das sie sonst als unschuldige Freude genießt.
Aus der Einsamkeit
schickt sie noch einmal einen Gedanken in die Ewigkeit. Er stößt sich an diesem
Sonntagserleben und fällt in eine trockene Erklärung: Warum freut man sich am
Anblick mancher Kinder, an der Erinnerung der eigenen Kindheit, noch so schlimm
erlebt? Sie schwatzen nicht nur den Alltag. Sie schweigen auch staunend vor der
Ewigkeit, deren Anblick sie im Alter mit Geschichten zuzudecken versuchen. Der
Gedanke Ewigkeit ist schwer auszuhalten. Wenn das Kind erkennt, dass das
Geschenk, darin leben zu dürfen mit dem Tod verknüpft ist, wird es erwachsen,
vernünftig und geschwätzig. Aber es bleibt dennoch ein tröstlicher Anblick in
einem Leben der Sehnsucht.
Denn es bringt
auch das erfrischende spontane Lachen in die Welt, das so viel mehr Freude
ausgießt als das doch oft suffisante Lächeln der Weisheit.
Mrs. Du Valle
schließt das Buch Sehnsucht und ruft ihre Freundin an. Der Mann ist gerade auf
Sportschau. Das geht mindestens eine dreiviertel Stunde. Dann wird sie in der
Bar zum einsamen Koller mal sehen, was es aufzureißen gibt.
29.04.12
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