Freitag, 22. Dezember 2017

Im Dunkel unsrer Nacht

Da liegt ein toter, schon halb verwester schwarzer Vogel.

Das Lied der Amsel ist verklungen. Würde es in die Ewigkeit reichen , wenn es einen Nobelpreis für Amselgesang gäbe? Oder wer schwärmte noch wie lange über ihr Nest, gäbe es mediale Lobhudler auf Bauten mit hinterlüfteter Fassade für Amselräte? Wichtigkeit...

Da ist eine vom Glück eines Amsellieds am Abend verbliebene dünne Spur in meinen Erinnerungen.

Was blieb von Deinem Wort, was ist mit der Spur jenes Lächelns, jener Berührung?
Weiter und weiter in die Fernen des Raums breitet sich die immer dünnere Spur dieses Leuchtens aus. Schon lange ist es aus dem Sensor aller optischer Möglichkeit verschwunden. Niemand und nichts wird da sein, von Dir zu  zeugen.

Hört die Amsel auf zu singen? Nicht, solange sie in einen Augenblick Leben eingebettet ist.

So lange ich kann, versuche ich wahr zu nehmen und mich zu erinnern. Mit meinem Gesang versuche ich die Spur in eine andere Wahrnehmung zu tragen, dem Lied der Amsel etwas mehr Zeit in der Ewigkeit zu sichern. Und so Deinem Wort, Lächeln, Deiner Berührung.

*
Wir singen das Lied aus der Taize'-Manufaktur: "Im Dunkel unsrer Nacht entzünde das Feuer, das nie mehr erlischt!"

Es ist die Dunkelheit in deren unterstem Ort unser Herz friert. Der Platz, den die Freude braucht, Leben zu ermöglichen.

Der Imam sieht in ein blaues Gleisen, der Rabbi wird geblendet von Helligkeit. Der Schüler des Buddha versucht, Licht und Dunkel aufzulösen.

Ich bin nur Mensch wie Du und verwundet. Im Dunkel meiner Nacht entzünde das Feuer. Den Menschen wahrzunehmen, das Lied der Amsel zu hören.  

Klaus Wachowski 22.12.17

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Mittwoch, 29. November 2017

Max Frisch betrachtend

Ich spüle das Geschirr
Bin ich einsam?
Ich trockne das Geschirr
Manchmal bin ich gerne allein.

Max Frisch Entwürfe zu einem dritten Tagebuch. suhrkamp

Wer schreibt, malt, forscht, denkt, formuliert, muß, wenn er/sie mit sich zufrieden sein will, die Welt aus der Entfernung betrachten, seinen Stuhl vom Tisch rücken. Die narzißtische Verführung: „Einsamkeit adelt“. Sie schmerzt? Aber auch zu große, zu lang anhaltende Nähe schmerzt. Manchmal, ehrlich, bist doch auch Du gern allein.

Und Du spürst, wie interessante Gedanken in Dein Zentrum drängen. Lasse sie zu: es sind Deine Gedanken und als eigene immer wertvoller als Gedanken von anderen. Hör nicht auf die Empörung des Lehrers in Dir. Hat er Dich nicht in Angst und Schrecken versetzt, als Du noch Kind und wissbegieriger Mensch warst? Aber diese Lehrerin, die Deine Neugier auf Welt begleitete, zeigte, wo es außerdem noch interessant ist; was würde sie denn jetzt und dazu sagen? Du kannst ganz für Dich selbst aussuchen, ob Du darüber nachdenkst.

Mein Freund und viel zu spät kennen gelernter Zweifler Richard, Du bist leider zu früh gestorben!. Du fragtest mich, was ich mir unter der Vorstellung "Höhle" denke. Du hattest Deine eigene Antwort. Aber Dich verlangte nach der Eigenheit meiner Gedanken. Es ging nicht um Recht haben. Es ging nicht um tiefere Einsicht: die eigene ist doch tief genug. Es ging um das Abenteuer der Entdeckung einer neuen Welt in der Durchdringung zweier Sphären. Danke für Deine Fragezeichen!

Dr. Smirc wirft ein: Aber darin kann man keinen Doktor machen!

Dr. Warnix, Psychagog und Dianetic-Clon, regt sich auf: Hör mal! Willst Du denn jedes wilde Denken domestizieren?! Forschung, Forschung! Immer schön die Röhre entlang! Das bringt Erfolg für die Regulierung des Tags. Aber Sonnenschein auf der Wiese, Beleuchtung der Planungs- und Verwaltungswüste, Erkenntnis aus Kenntnissen, das braucht mehr als die Monologe von Doktoren, Professoren, Diktatoren des Wie und Ignoranten des Was.

Gott kommt vorbei. Er liest in und mit einem Einhorn Shakespeare und Socrates. Ein Fastnachter aus Albisheim meint, hier müsse man sich doch mal recht wichtig machen und läßt sich auf den Boppes krachen. Gott und Einhorn peinlich berührt ab.

Ich reinige das Waschbecken. Manchmal bin ich gerne allein. Dann kann ich gut und tief an Dich denken. Das Schwinden der Zeit spüren, die Vorbereitung eines neuen Anfangs.

28.11.17 Klaus Wachowski


Montag, 27. November 2017

Hinweis auf "Aus der Scharwänzelforschung"

Zu lesen im Blog "Spielwiese und Reisen"

Erosions-Dokumente aus der Jetztzeit. Etwas unfaire Zusammenstellung erhabener Gedankenfluchten mit eingeborenen  Wutausbrüchen

Mittwoch, 22. November 2017

Cottage 2017

Ich komme aus den Nebeln Südenglands an John's Hütte an. Gott sei Dank ist er zu Hause. Wir reden nicht viel. Er zieht an seiner Pfeife. Der Rauch duftet würzig. Die dunklen Balken, die abgewetzte Bank. Und es ist warm. Ja, das Feuer knistert im eisernen Ofen.

Was haben wir miteinander zu tun? Wir warten auf Dr. Smirc und vertreiben uns die Zeit mit Trauern. Auch er hat einen Verlust. "Sie hat ihr Leid beenden wollen, nicht weiterschieben auf mich. Aber ich hab es jetzt, muß jede schöne Minute, die die Sonne schenkt, an ihre Schmerzen denken, ohne zu wissen, ob meine Gedanken darüber ihr entsprechen." 

Diese Erfahrung entspricht wohl auch meiner. "Wir müssen ganz schön schaffen, daß wir nicht mit hinab gezogen werden! Wie machst Du das?"

"Ich weiß nicht. Lebe einfach weiter, hoffe auf die Zeit. Aber es geht natürlich nicht ohne nachzudenken. So lenke ich meine Gedanken in die Erinnerung, versuche, mir das Schicksalhafte zu vergegenwärtigen, um meinen Anteil daran nicht zu einem Fels werden zu lassen, unter dem mein Leben erschlagen wird. Aber so leuchtend wie damals wird es wohl nicht mehr werden."

"Ja, wir sind zu einem Leben in Höhlen zurückgekehrt. Aber ein bißschen schön geht schon. Schau Dir mal Deine Bude an! Ist doch gemütlich."

Die Tür geht auf, Smirc kommt. Die Schlammstiefel brav abstellend verlangt er nach einem echt englischen Tee, bitter wie Hartz IV. Er will uns abholen für die Fahrt zur Ouse. Er hat auch schon einen Text für Virginia vorbereitet. Pathetisch natürlich, wie bei twistenden Dichtern so üblich:

"Liebe Virginia, wir möchten uns bei Dir bedanken. Du hast uns die schönsten Seiten Deiner Seele aufgeschlagen, Mrs. Dalloway. In unsere, von deutlich Ichbetontem Willen gepeitschte Welt hast Du die Fragezeichen der Wörter und des Denkens eingegossen. In den Kater der Willensbesoffenheit Deine klare Anschauung. Von der Welt mußtest Du Dich entfernen, um Dich in ihr Erleben hinein versetzen zu können. Davon zuviel hat Dich schließlich umgebracht. Dank für die Begleitung an Deinen treuen Liebenden! Wir denken an dich. Wir danken dem Leben, daß es solche Möglichkeit wirklich werden ließ."

Na ja, es hat etwas von unseren Gefühlen.

Dr. Warnix, Psychagog und schief gelockertes Künstlergebiß, erwartet uns schon. "Entschuldigt meine Verspätung! Stau auf der Gedankenautobahn. Mein Text ist nicht ganz fertig. Aber hier wenigstens das: "Liebe Virginia. Jedes Leben ist ein ganzes Leben! Ob Du nun wirklich eine Legende bist oder ein X von Milliarden wie ich. Die hast uns Teil nehmen lassen an Deinem Innenleben. Ich wünsche uns allen, daß es tatsächlich nach unserem Untergang etwas wie Weiterleben in einem der Energie zufließenden Zustand gibt und in irgendeiner unendlich fernen Zukunft sogar wieder Rückkehr der Materie in individuelles Leben. So etwas wie Du darf nicht verloren gehn."

Plötzlich die Glocken von Big Ben. In den bleiernen Kreisen fliegen Vögel. In ihrem Ruf der Freiheit höre ich die Hoffnung aus der Gemeinschaft. 

Klaus Wachowski 22.11.2017

Montag, 13. November 2017

An der Spüle

Ich öffne das Marmeladenglas "Brombeeren 2017". Ich schließe es. Ein starkes trauriges Gefühl schießt ein. Auch ich werde sterben und die Erinnerungen an mich.

Aber auch Du. Ob Du vor mir oder nach mir gehst: Ich werde sein ohne Dich.

Hier sein dürfen, mit Dir in der Nähe. All das zu verlieren ist wohl die Bedingung, es bekommen zu haben.

Am Wertstoffhof werden sogenannte Wertstoffe entsorgt. Ich höre Johnny Cash: "Nimm dies Reich von Schmutz! " Es war kein Schmutz, war schön in unserem Streben. 

Die Marmelade ist leer. Ich habe den Geschmack noch im Mund.
Was heißt "Entsorgung". Mir ist es "Entgeisterung". Laß uns dem Geschmack nachspüren.

Diese Gedanken des Dr. Smirc an seinen Ehemann, den Wolfshasser und Psychagogen Dr. Warnix erschienen mir so ergreifend, daß ich beschloß, sie ohne Beachtung meines Copyrights der Welt zugänglich zu machen. 
12.11.2017 Klaus Wachowski

Montag, 6. November 2017

Liebe und Sympthie in Durlach


Love and Sympathy

Unerwartetes Treffen der Herren Doktoren Smirc und Warnix in Durlach.

Dr. Smirc spricht von einer Familienfeier: 

"Wie schön es war! Man hat über all die Jahre vergessen, wie wichtig es doch ist, einem Kreis einander verbundener Menschen anzugehören. Ich bin noch ganz erfüllt von den Gesprächen, Berührungen, Umarmungen. Zueinander gehören! Aufzugehen in einem warmen Gefühl. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, dieses Aufgehoben-sein. Noch immer singt und summt es in mir. Das Herz springt mir im Leib.
Ich sag nur: All you need is love!*"

Dr. Warnix, Psychagog und All-you-can-eat-Gourmet der ersten Stunde, schaut skeptisch:

" Und draußen das Mädchen in der Kälte, an dem wir beide vorbei gegangen sind, was ist mit dem!? Hast Du ihm einen Euro gegeben? Kannst du ihm die Liebe geben, die sein Vater verlassen, die Mutter verweigert hat? Siehst Du da überhaupt noch eine Sehnsucht nach irgendetwas?

Die Hälfte der Welt hasst die andere, die andere Hälfte verhungert vor Euren Festzelten. Da ist nicht genug Liebe; und Liebe ist da nicht genug!

Mein Lied geht so: And sympathy is what we need my friends.**"

Gott hat im Vorbeigehen etwas mitbekommen. Er/ sie lächelt in sich hinein. Was wäre, wenn es nicht doch irgendjemanden gäbe, an sie in Liebe oder Trauer zu denken, nach ihr, gerade ihr zu suchen? Wenn die Sympathie weit genug greift, wird sie ihren Blick heben, auf die Suche nach Liebe gehen können.

Er umarmt die beiden. Im Badenser Schlenzer gibt er ihnen eine Runde praktische Vernunft aus. Auf dem Etikett der alten Flasche kann man die Worte "heilig Geist" entziffern. Heilige Maria! Auch der essigsaure  Kant, der aus der Barmherzigkeit am liebsten ein luther-preußisches Strafgesetz machen würde, darf mit an den Tisch, auch wenn er nicht an die komische Figur glaubt, die daher redet wie aus der Bibel und auftritt wie der Sohn persönlich. 

6.11.17 Klaus Wachowski
* all you need is love, the beatles 1967
** and sympathy is what we need my friends, rare birds 1969


Montag, 23. Oktober 2017

Herbstregen

Herbstregen

Verletzt fühle ich mich. 
Zu Unrecht, ich weiß!
Es schmerzt.

Leicht, leicht herab
ein Regen aus Leere.

Und weiter schiebt der Tag
in den Raum riesige Kisten.
Und aktiv, voll aktiv, gestikuliert
vor Wichtigkeit Leben.

Laut regnet ein,
voll von Sehnsucht
die Stille.

Ach Regen, mein Regen,
leere mein Herz.

23.10.2017 Klaus Wachowski

Freitag, 22. September 2017

Zum Tagebuch 3 Max Frischs

Ein vom Missionswahn erfüllter Evangelikaler drückt mir einen Zettel in die Hand. Ich sollte mich nicht von Gott anwenden, sonst... Ja, was geschehe sonst? Ich würde ihm von Angesicht zu Angesicht begegnen! Aha und na-ja.

Woher will er wissen, daß mir das nicht schon begegnet ist und ich mich gerade deshalb abwende? Woher will er wissen, daß ich mich abgewendet habe? Bin nicht ich gerade dabei, mit Gott über die Ideologie des evangelikalen Fanatismus zu reden? Sie verderben einem die Lust an Glauben. Gesindel, das die Herrschaft erschleichen will, um Menschen nach seiner Vorstellung nieder zu halten. Die würden ihren hoch gepriesenen Jesus verbrennen, wenn sie die Macht dazu hätten. Wo er Nächstenliebe predigte, erfüllt Haß auf die Ungläubigen ihre Mission der Glaubensreklame. Inzwischen versteckt er sich, wenn sie sich aus ihren Tempeln in seine Kirchen verirren.

Max Frisch schreibt an seinem dritten Tagebuch. Seine Haltung gefällt mir. Wieviel älter als die seither verstorbenen Freunde ist er? Und die Toten können die neuen Erfahrungen nicht teilen, was ein Problem sei.

Auch mir kam vor zwei, drei Jahren der Gedanke an diesen Verlust an Welt und an die Veränderung, die das Herausfallen der Freunde aus der realen Gegenwart in die Erinnerung bewirkte. Aber ich stehe davor wie vor einer abstrakten Zeichnung.

Richard, mein Lehrer in Dingen des Fragens. Kannst Du mich noch lehren, wo mich Zeit und Schmerz hinter einen Vorhang aus Traum geworfen haben? F, mir fehlen Deine Zweifel aus Erfahrungen, die Du nie durchleben durftest. H., ich kann mich an Deiner Festigkeit gegenüber der Macht nicht mehr aufrichten. X, in gemeinsamer Angst durfte auch ich mit Dir nach Hilfe und Trost suchen. Es ist problematisch in der Tat. Einsam vor einer mit dem Nichts aufwartenden Zukunft. Die Fragen finden keine Gegenfrage.

Ich habe noch lebende Freunde und Liebe. Aber manchmal vor dem Winter kommt mich ein Frösteln an. Ich schlage den Mantel der Erinnerung fester um mich.

22.10.2017

Mittwoch, 20. September 2017

Bluebird



Bluebird

Das ist Dir na ja: Dieser von Dichtern bezwitscherte Himmel somewhere over the rainbow ist wohl ein zu fein gemaltes Nichts.

Dein Himmel ist eine blaue Schale.

Du nimmst das Leben gern in die Hand. Im Festen liebst Du den Widerstand, im Plastischen spürst und formst Du die Form. Das Tier ist Dir Bruder und Schwester. Die Giraffe groß, die tötende Löwin bewegen sich als Freunde in Deinem Raum. Der Baum hebt seine Äste in deines Lebens Freude, Deine Finger kämmen im weichen Gras. Das Gewicht des Balkens fühlst Du als ein glückliches "Ich bin". - All dies ist!

Glücklich spürst Du die Wirklichkeit in der Kühle des Regens. Land bis zum Horizont. Der Glanz aus dem Weizenfeld erfüllt Dich mit Sehnsucht und Freude wie etwas von Liebe.

Wo andere beten, bist Du geborgen.

Ein Eichhörnchen springt vom Baum, rennt über den Rasen und springt wieder hoch.
Einen Regenbogen möchte ich über Dir ausspannen. Und irgendwo darüber den Vogel Bluebird zeigen.

Du drehst Dich auf den Rücken. Die Luft-matratze quietscht etwas Realität in meinen Versuch von Poesie. Dunkel schlägt eine kleine Welle auf. Du lächelst und hörst.

Unsere Welten berühren sich für einen Augenblick.
Dann atmet die Zeit aus in einen neuen.

Meine Wünsche begleiten Dich.

20.9.17                 Klaus Wachowski

Mittwoch, 6. September 2017

Das hohe Lied der Liebe und des Hasses

Von hoher Liebe
"...und kleine Hitlers, Heydrichs, Eichmamns gab es viele; Sie alle waren schlecht weggekommene, durchgefallene, verkrachte Existenzen, obdachlose, uneheliche, verkannte Genies, erfolglose Streber und Ehrgeizige, die die Chance bekamen großzutun, und Größe und Stärke mit Härte, Gewalt und Brutalität verwechselten.
Fritz Bauer "Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns" Kapitel XII, CEP europäische Verlagsanstalt"

Ein Evangelikaler, einst ein guter Freund, der in seiner Bekehrung schwere Probleme gelöst hat, schreibt auf die Frage, was denn Leben sei:

"Leben ist für mich Liebe und Musik. Und alles ist von Gott geschaffen."

Ich antworte: "ist das der, der gesagt hat: nicht Knecht habe ich Dich genannt, sondern Bruder? den treffe ich öfter mal."

X darauf: "Lüge nicht. Bekehre dich zu Jesus und tue Buße. Sonst hast du keine Chance. Noch eine Gotteslästerung und das Gespräch ist beendet. Ich bete für dich, ich mein's ernst, du Spötter."

Ich: "Klingt nach Hass. Du darfst Dir offensichtlich ein Bildnis von dem machen, was im Himmel ist. Erleuchtet zum Hass.
Ich bete schon selbst, wann, wie und ob ich es für richtig halte. Mein Jesus liebt übrigens die Menschen. Er braucht keinen Gott, um Menschen so richtig hassen zu dürfen."

X: "Ich lese nicht weiter. Sage mir nicht was ich darf und was nicht. Es war schön dich gekannt zu haben. Es gibt nur Himmel und Hölle. Wo willst du hin nach dem Tod? Ich vergebe dir und nun unterlasse es, mir zu schreiben. Ich weiß nicht was du meinst aber Gotteshaß dulde ich nicht auf meinem Telefon. Ich werde schon 'rauskriegen wie man das blockiert."

Was mich immer wieder traurig macht, ist, wenn Freunde, von denen ich glaubte, sie hätten ein den Menschen zugewandtes Fühlen, plötzlich in Haß geraten, wenn ich ein als Modell vermutetes Weltbild anremple, darüber stolpere oder angreife.

"Gotteshass", was auch immer es ist, ist plötzlich schlimmer als Hass auf Menschen, Abfall von der Menschen erlösenden Ideologie rechtfertigt Liquidierung. Auch die besondere Liebe zu Tieren und Familienwerten werden bei kritischen Einwürfen plötzlich zu Sakramenten des Hasses. Sind die von anderen Ideologen verfolgten Weltbilder der Gülenbewegung  und Falun Gong (Aufgeben von Eigensinn - Symbol:Hakenkreuz(?)) nicht eventuell auch von Hass gesegnet? Und der keiner Fliege etwas zu Leide tun könnende Buddhismus mordet in Birma aus Liebe zum Nichts.

Ich glaube, dass hier die nicht erfahrene, verlorene Liebe in einem Ersatzgefühl von überhöhter Zuwendung an ein die Wirklichkeit der prekären Natur des Lebens verabscheuendes Weltbild ersetzt wird. Diese Demut vor dem Größen*- oder Reinheitswahn ermöglicht gerade den Menschenhaß, den die Religion und auch das Weltbild selbst -ablehnen. Wie traurig, daß das wirkliche Leben so wenig Berührung und/oder auch Verlust ermöglicht, daß der Haß oft so viel wirksamer scheint als die unspektakuläre Liebe und Freundschaft einfachen Menschenlebens.

Während ich das schreibe, kocht ein Zuwanderer aus Bihar in Südindien Reis mit Zwiebel. Seine Familie wird er erst in 4 Monaten wieder sehen, um dann zu versuchen im Nichts nicht zu verhungern. Er stellt unter unsäglichen Bedingungen unsere Kleidung her.

Auch daraus läßt sich guter Haß pressen. Zuerst das Weltbild einer reinen Menschheit, dann die hassenswerten Feindtypen herausfiltern und unbarmherzig handeln. Je nachdem wäre das dann wirksam als RAF-Liebe zu den unterdrückten Völkern, hinduistischer oder moslemischer Religionsnazismus, Sippenehre einer Streetgang ppp. Die Möglichkeiten der Verfolgung sind so vielfältig wie die Objekte möglicher Verehrung. Identifikation mit der Übermacht zur Vernichtung des Menschen und der Menschlichkeit.

Der kleine Spießer mit seinen egoistischen Wünschen und Beschränkungen auf das Ich und seinen Kreis von Freundschaft, Nachbarschaft und Familie. Klatsch und Tratsch, Shoppen und Chillen, Maloche und Relax, er und sie sind es, auf die es ankommt. Was auch immer er/sie selbst an Ideologie, unterwürfig-größenwahnsinnigen Glauben, Ideologie der Vernichtung mit sich herumträgt. Für sie und ihn gilt Artikel I von der unveräußerlichen Würde des Menschen. Er ist -besser oder schlechter egal- mein Nächster!

Und so sehr ich ihn für Ego und Wurstigkeit schimpfe, er ist der, für den dieser Bruder Gott Nächstenliebe erbittet, und die -ohne groß nachzudenken- auch fühlt, wer Mensch geblieben ist.
Und alle Reinheit, Größe, Ideal, Gott, die ich glauben soll, überlasse bitte mir! Ich werde sie glauben, wo sie den Nächsten zuerst glaubt.
------------------
*make me great again

Freitag, 1. September 2017

Im Park


Ein großer Brummer, beiger Leib, weite bräunlich transparente Flügel. Sieh mit mir, wie er heran zischt, kurz in der Luft steht und dann in das trockene braune Laub stürzt. Ein anderer tut es ihm nach.

Saftiges Grün auf der zum Teich hinab liegenden Wiese. Wenige Blumen, gelb und rotbraun.

Ein Pärchen mit Decke geht vorbei, verzieht sich hinter die Büsche hinten links. Lektor prüft Literatin in katholischem Land.

Ich liebe die würzige Luft des Spätsommers, die in die würzige Luft des September zieht. Es wird Licht und Duft. Ein junger Ehemann geht nach rechts vorbei.

Der Wind hält den Teich frei von Algen. Eine einzelne Ente schwimmt schläfrig die Insel "Entenfang" an.

Er: Auch ich bin einsam.
Sie: Aber unsere Sehnsüchte gehen nach verschiedenen Horizontalen.
Einsamkeit und Sehnsucht lehnen sich aneinander.
Der Teich antwortet mit einem plötzlichen Schlag aus opaker Tiefe.

Am jenseitigen Ufer steht hellrotbraun ein Reh. Still wie geschnitzt in einen gläsernen Moment Ewigkeit.

Ein weißer Hirsch wurde hier einst ermordet. Fürsten hielten prachtvoll Hof und Jagd, Vergnügen von Hatz und Töten. Den Hirschstecher hätten auch sie bestialisch gefunden. Heute setzen sie Wölfe aus.

Das Reh bemerkt uns und huscht weg. Ist auch das eine Antwort auf Sehnsucht? Sieh das Grün in hundert Schatten und Lichtern, den Raum zwischen Baum und Teich!

Ein Kohlweißling taumelt vorbei. Ein zweiter, dritter. Ein hoher Schrei schießt in die Luft, zwischen das Rascheln herab fallender Blätter, das Knacken trockener Zweige, in die Stille dazwischen.

Zwei große Reiher stürzen aus der Luft herab,  zischen ganz tief über der Wasseroberfläche. Und sind davon.

Die Geschichte neigt sich von einem kühlenden Wind befächelt, dem Ende zu.

Wünschen wir ihr und ihm noch ein weit sich öffnendes Leben, beginnend in einem schrecklich bitteren Kaffeetrinken unter Wahlplakaten.

Klaus Wachowski                  Hessen, 30.8.17

Montag, 28. August 2017

Hinweis auf einen neuen Text

Ich habe mir einen neuen Dada-Text gegönnt. Hier eine Vorschau auf den Text im Blog Spielwiese pp:

Durchbrechen wir den Sturm der Zeit! Die Zeiten sind vorbei, wo die Ritterfräulein ihren Freiern Aufgaben stellten.

(Erbsünde nicht verwerfen und Eugen Drewermann richtig verstehen.)

Überzeugung erlaubt uns eine einfache Umgangsweise: Du weißt, was gut und böse ist. Du bist frei, kannst entscheiden, was du tust. Fahre Deinen Seniorenbenz vegan! Mit dem monumentalen Blowup-Prinzip bespielt man so komplette Aktfotos der Kategorie Supermodel. Selbst Androgyne zelebrierten schon suggestive Dekolletees. Eine win-win-Situation auch für Trumpiden.

Eine Barfüsserin ging einst durch die Strümpfe der literarischen Freundschaft. Seit den Zeiten des verlegerischen Nepotismus hatte sich eine schreckliche Demokratisierung und Verwässerung unter den Wurzeln ausgebreitet. Überall quatschte und schwankte die Erde unter den Buchpreisen. Tonkünstler hielten Installationen für poetische Momente. Bielefeld warf zischende Neonwerbung eines Erotikmarkts in die Sammelböxe. Selbst hartgesottene Großagenten ließen alle Hoffnung fahren. Wieder einmal ein alter Familienbesitz, der in die Hände eines Neureichen gefallen war. Wohin gehst Du, Paderborn?

Donnerstag, 3. August 2017

Stecken und Stab

Nun stehst Du da
wie Stecken, Stab
und bist wie eh und je
geknickt, gebrochen.

Man glaubt an Dich,
Du lachst,
machst mit die Show,
und kommt die Angst gekrochen,
lügst Du die Sonne in den Schnee.

So war und ist Dein Leben
sinkend wie Stecken und Stab,
irgendwie daneben.

Geht's auch hinab:
vorher ist besser
als nach dem Grab.

1.8.17

Dienstag, 25. Juli 2017

Ein Text aus grauer Vorzeit



1989 schrieb ich meinen Freunden über vorschnelle Gnade gegenüber Völkermördern einen scharf überlegten scharfen Aufsatz.
Eine neue Generation macht sich daran, die Herrschaft über die ethischen Grundsätze nach ihrem Vorstellungen richtig zu definieren. Es läuft ordentlich Ego ein.
Ich versuche statt Teilnahme an neuen alten Debatten jetzt einmal meinem jungen Text gegenüber den Standpunkt des Alters einzunehmen. Das Ergebnis ist bei etwas mehr Sicherheit der Kenntnis mehr Unsicherheit im Urteilen durch Erleben. Auch dazu ist den Opfern die Möglichkeit genommen.
*
Reinheit und Rache sind für gewöhnlich die Rechtfertigungen für Unrecht, Grausamkeit und Unmenschlichkeit. So tief ist das Geheimnis von Erfolgen wie "Spiel mir das Lied vom Tod" oder "Rambo" und "Dirty Harry" eigentlich nicht und ich wundere mich, wie ich glauben konnte, in Clint Eastwood einen Menschenfreund vor mir zu haben.
Das Recht versucht in der Regel demgegenüber der Person gerecht zu werden, auch der Person, die durch eine Tat eine Strafe erwirkt hat.
Ich versuchte der Person des Opfers gerecht zu werden. Wo Täter Angehörige und Nachbarn sich in weitläufigen christlichen Erörterungen der göttlichen Gnade ergingen, den Opfern und ihren Angehörigen damit das einzig verbliebene Recht aus der Hand nahmen, versuchte ich gerecht zu bleiben und es zurückzugeben.
Der Massenmörder X aus Japan, der grausame Schlächtereien in China und dem übrigen Asien anordnete, war die Waffe aus der Hand zu winden, mit der er sich aus der Verantwortung stehlen wollte. Und soweit ein Opfer noch fähig war, dem Impuls der Rache zu widerstehen, war der Täter doch nach dem vollen Inhalt des Gesetzes zu strafen!
*
Inzwischen stehe ich meinem Text, meiner Gnadenlosigkeit von damals mit bedenklichem Kopfwackeln gegenüber.
Der Täter von damals ist heute ein Anderer. Man beurteilt ja nicht nur die Tat, sondern auch die ausführende und nun ihrer Macht beraubte Persönlichkeit des Täters. Vielleicht ist sogar der äußerst seltene Fall eingetreten, daß zur Angst noch Reue hinzu tritt.
Aber: Das Opfer von damals ist tot und hat keine Gelegenheit dem Veränderten unverändert oder selbst verändert gegenüber zu treten. Und selbst in den seltenen Fällen des Überlebens fordert das Bleibende, der Schmerz, nach Rücknahme des Triumphs, der in der Tat als Genuß, Vorteil, Gewinn den Täter lockte.
Der Du urteilst: das Urteil steht Dir so wenig zu wie die Verzeihung.
Deine Aufgabe bleibt, dem Opfer zu seinem Recht auf Rücknahme des Triumphs zu verhelfen. Die Grenzen für Rache und Bedürfnis nach einer vom Bösen reinen Welt haben die Recht setzenden Bürger hoffentlich schon lange vorher in Zeiten des Friedens richtig gesetzt. Aber ich befürchte, solange die Unmenschlichkeit immer wieder einmal zur Herrschaft drängt, wird für kühles Abwägen nicht ausreichend Zeit und Raum bleiben.
Bis dahin sollte man den einen Umstand nicht vergessen, daß das Recht nur einem die Gnadenentscheidung einräumt: dem Betroffenen. Vielleicht noch dem direkt Hinterbliebenen. Dem nicht Betroffenen steht es nicht zu, die Tat in einer übergriffigen Gnadenentscheidung zu wiederholen und den Schmerz um die glotzende Gleichgültigkeit zu erhöhen. Selbst der gnädigste unter den Religionsstiftern, Jesus Christus, konnte dem keine übermenschliche Erlösung in der Barmherzigkeit versprechen, der nicht Reue zeigte.

Insofern kann ich von meinem 89er Text nicht abrücken. Wohl von dem Tonfall, in dem ich heute etwas viel von ideologischer Reinheit vernehme.

"Was ist so schäbig an der schäbigsten Entschuldigung der Reuelosen, daß auch Ihr nicht anders gehandelt hättet? Nicht Ihr seid, sondern sie waren Täter, Bejubler und Profiteure von Tätern. Wo sie nicht bereuen, wo Opfer eine eventuelle Reue nicht annehmen können, weil sie den der Toten zu respektieren haben, ist Entschuldigung Ausrede, Bestätigung des Verbrechens. Außerdem aber der schamlose Versuch, die nicht schuldig gewordenen durch Anbiederung auf ihre Seite zu ziehen, schuldig zu machen der Entscheidung anstelle der Opfer. Niemand als sie hat das letzte Recht der Gnadenentscheidung. Wer ihnen dieses zu nehmen versucht, bestätigt den Triumph der Tat über das Gewissen, jene letzte Barriere gegen die Unmenschlichkeit.
Wir sind nicht so, wie sie uns unterschieben wollten. Und ob wir je so handeln werden und gar so ohne jede Reue, das muß sich erst zeigen! Dazu werden wir es eben nicht auf sich beruhen lassen und unser Wollen, unsere Taten an ihren Taten prüfen. Sonst wären wir, wie sie uns haben wollen: wie sie.
"Ärzte im Dritten Reich" von Robert Lifton: Dort gab es alle Sorten Charaktere, aber auch zwischen dem "moralischen" Täter und dem Verräter (den es ebenso als Ausnahme gab wie jenen) den alles entscheidenden Unterschied der Tat, welcher der Täter sich entziehen kann, sei er danach auch Opfer. Dieses ist ihr aber selbst dann, wenn es sich zum Verrat entschließt, noch unterworfen. Nur wer nicht sehen will, kann sich seiner selbst sicher sein - die Täter sind es bis heute. Ob wir selbst Täter sein können oder gar einmal werden, wissen wir nicht. Wohl aber, daß wir es nicht sein wollen. Ganz anders als jene, welche eben Täter sein wollten, was sie durch den Mangel jeder Reue beweisen.
Ich habe mit manchem zu tun, durch den ein höherer Wille durchrutscht wie durch einen SS- Automaten, von dem er ins pöbelhafte gedreht wird, wie durch einen Gauleiter oder brutalisiert wie durch einen SA- Stiefel. Man darf seine Aufmerksamkeit daher nicht nur auf das Gewollte beschränken. Auch der Ausführende kann gefährlich sein.
Das Leben bleibt eine missliche Sache, die mit Nachdenken nicht zu ändern, nur zu begreifen ist. Und so finden wie die Egoisten auch die Gerechten und die es sein wollen stets den gleichen Ärger: nicht zur Ruhe kommen zu können. Was bleibt, als dies anzunehmen und den Pessimismus nicht abzuweisen, um von den Widerwärtigkeiten des Lebens nicht allzusehr verletzt zu werden."
*
Wer richtet hat auch das Problem des Henkers. Die Schwierigkeit, dadurch dem Täter nahe zu kommen. Reinheit und Rache haben damit kein Problem.

Aber das letzte Wort bleibt dem und der von der Tat getroffenen.

Klaus Wachowski 1.1.89 -nachgesehen 7/2017

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...