Freitag, 2. März 2018

Alter Zausel im Autogroom

Zausel im Autogroom Giga

"Ja, jetzt mit so um die 70 heißts wohl: löse Dich von Deinen liebsten Kindern. Mein Colt ist auch schon über 13 und fängt auf der Autobahn das Hoppeln an.

Was meinen Sie: Lohnt eine Reparatur noch? "

Der man aus der Werkstatt denkt an seine kleine Tochter. " Warum geht er nicht zum Friseur?"

" Wir können ja mal ne Probefahrt machen! Sieht noch einigermaßen aus, das Gefährt."

Er wird es wohl aufgeben. Düstere Bilder sinken ins Foyer. Bilder von engem, dunklem Zimmer. Ja, er wird sich etwas mehr um die kleinen Sachen kümmern. Einen gummierten Milch-Aufrührer hat er schon gekauft. Warum das alte zerfallende Ding immer wieder reparieren? Warum ihn - reparieren? Er wünscht sich und ihr noch einige Jahre. Das mit dem spontanen Wegfahren ist vorbei.

Schon scharf, die Einsamkeit des Alterns. Vernunft und Wissenschaft helfen da kein bisschen weiter. Er weiß. Er könnte mehr wissen. Aber das Gefühl einer sich entfernenden Welt wird nicht - wie in früheren Wechseln - durch eine andere, sich nähernde, aufregende Welt verdrängt.

Und jetzt eben verliert er alles Interesse an allem...

Die beiden rechten Wände seiner Erinnerung sind plötzlich weiß. Kein Bild, kein textiler Vorhang für die Sehnsucht nach Berührung, kein Fragen flüsternder Gegenstand aus Wanderwegen, kein Muster von Sonne, Schatten und Einhorn sonderbar. Und die Stimmen der guten Zeiten sind verstummt.

Er findet sich wieder auf der Autobahn zwischen einem Weinen von gestern und einem irgendwas aus den farbigen Nebeln vor dem Horizont. Wo geht es nach Hause? Und was ist dort?

Der Nachbar starb 8 Tage nach seiner Frau. Und was in den Wellen des Mittelmeers geschieht, mag er sich gar nicht erst vorstellen. Psalm 121 fällt ihm ein. Zu den Bergen hebe ich meine Augen. Von wo kommt mir Hilfe? Ach Gott, vergiß nicht!

Der junge Mann neben ihm könnte sein Sohn sein. Sie reden miteinander darüber, wie man das Problem wohl lösen könnte. Ja es gibt Achtung und Fairness.

Der Junge denkt an seine Frau.

Sie verabschieden sich mit dem Händedruck der Freundschaft unter Menschen.

Auf dem Weg nach Hause fragt er sich, ob das der Weg nach Hause sei. Er weiß es nicht aber er hofft, daß da noch sein Du ist. Oder ist es eher die Fahrt in eine glückliche Erinnerung?

Zu den Bergen erhebt er seine Augen.

Sie umarmen einander wie jedes Mal. Wie zu Anfang wissen sie schon länger wieder wie wichtig es ist. Das ist der Weg. Und sie nehmen einander an der Hand, spüren das stumme Leuchten von Innen.

Klaus Wachowski 2.3.2018

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Die Zeit

Ich setze mich auf eine Bank und lasse die Zeit vergehen. Es dauert. ... ... Sie ist vergangen. Jetzt will ich gehen.