Als Dr. Smirc das Buch Kobo Abe aufschlägt, rieselt ihm eine
Tüte Sand entgegen. Es riecht wie schimmeliger Reis. Die Buchseiten sind
aufgedunsen. Und als er darauf drückt, quellen rote Tropfen hervor. Hulda
Grannina Putina, eine entfernte Verwandte von Väterchen Stalin, hat auf die
Frage, ob sie sich bei ihm einschweigen wolle, die Hand Gottes ergriffen und
sich davon gemacht. Also zieht er alleine durch die Fußgängerzone.
Da gehen Menschen über das Pflaster, da springen Kinder
hinter Tauben her, da stehen sie am Cafe´ständer des Billig, da öffnen
Kniebettler die Büchse in den rumänischen Off. Draußen aber kreisen die Autos
um Stadt, Knast und Anstalt. Sag, wo ist Deine Fabrik?
Eine alte Geschichte fällt ihm ein. Der neue und junge Chef
spritzte herein und ließ gewaltige Dankeshymnen vom Stapel: „Ihr glaubt ja
nicht, wie dankbar ich bin, dass Ihr mir nichts in den Weg gelegt habt!“
Warnix, heute Doktor, Psychagog und ausgefuchster Rheinhesse, und Smirc
schauten einander peinlich berührt an. „Was hat er denn? Was ist denn das:
Karriere!“ Sie lachten. Es ging doch um Bruderschaft und Anstand in einer neuen
Welt.
Das Lachen ist ihnen vergangen. Sie haben selbst Karriere
gemacht und müssen eine Menge Energie aufbringen, den Anstand nicht ganz zu
verlieren. Nun ja: er ist – wie man so sagt – etwas geworden. Er wird mit den gesamten Restprofitlern einer
besser gemeinten Zeit in die Heimatgeschichte eingehe, Gähnen um Gähnen
erzeugen.
Da ist doch die Ruine von Kibbes noch in diesem Zustand ein
ganz anderer Anblick. Zotteliger Bart, fettige Haare, T-Shirt mit
Hool-Sprüchen. Was weiß, was merkt er davon? Er wartet auf Charms, der sein
Sohn sein könnte, auch nach dem verbeulten Outfit. Sie reißen ihre zwei Stunden
Wohlfahrtsmaloche runter und legen sich dann wieder in eine Ecke Weitab. Man
hat sie nicht gebraucht. Aber sie glauben bis heute noch an die Sprüche von der
Solidarität und winken Dir zu, während sie tiefer und tiefer ins Vergessen der
alten „Genossen“ versinken. Tapfer, tapfer wählen sie links, schimpfen sie auf
„das Kapital“, gehen sie mit der peinlich berührten Gewerkschaft, die doch eher
auf Kultur steht. Und die Kumpel machen sich schnell in den schwarzen BMW oder
was.
Dr. Smirc: „Kibbes, was sagst Du zum alt werden?“
K:“Weißt Du doch! Am liebsten ein Schlag und weg! Was ist alt? Keine Ahnung. Da scheint
die Sonne, da gibt’s einen kaffee umsonst. Es zwickt und alles tut weh. Aber
ist doch schön hier! Stellt Dir vor in Afrika! Oder bei den Taliban! Wir
bleiben doch bei der Sache!“ Klatscht ihm die Hand auf die Schulter.
Dr. Warnix, Psychagog und Drosophil, wendet sich an den mit
seinen Aktienkursen beschäftigten Intellektuellen: „Ich höre da einen gewissen
depressiven Unterton. Als würdest Du ständig über eine verlorene Hoffnung
jammern! Geht es Dir denn nicht hundert mal besser als diesen trüben Gestalten?“
Gott, der gerade von einem Schrei aus Kobane kommt: „ Eben!“
Ein Hool der IS hat gerade wieder eine Familie Menschen geschlachtet. Wo bleibt
das Echo in Euren Herzen, Ihr Käufer und Säufer?
Aus dem Kirchenfenster Xulda: „Komm rein, die Andacht ist angerichtet!“
Dann sinkt die Nacht herein. Gott-sei-Dank: es ist nicht die
letzte.
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