Worüber tauschen wir uns aus? Es sind nicht Leute wie die von der Schopenhauer - oder Jean Paul - Gesellschaft, die ich erleben durfte. Oder die Köpfe bei der Hannah Arendt - Tagung in Zürich, von wo mir noch ein besonders fleißiger, besonders eingebildeter Ossie vom Institut der Braven in Erinnerung ist, der sich mit ideologischem Ereifern über ihr Denken hinweg präsentierte.
Der Mann, der da auf mich zukommt, ist eher ein grau gewordener Grüner, der sich Sorgen über die Zukunft der Republik macht. Ihm ist die Wende von der Partei der Bürgerrechte zum Ökologismus sehr bedenklich. Ganz sympathisch, so eine Art Ströbele.
Leute, die sich Sorgen machen um eine Welt, die immer enger und autoritärer wird. Die Wiederkehr der düsteren Zeit von kaltem Krieg und Faschismus.
Die Akademiker fragen sich und trauen sich schließlich, mich zu fragen:
Und, was haben den Sie in der ganzen Zeit gemacht?
Ich habe mich gedreht und gewendet, war politisch bei Jusos und Grünen aktiv, belästigte harmlose Bürger mit Flugschriften politischen und kulturellen Inhalts, wurde schließlich mit einem wichtigen Amt stumm gemacht.
Ich war und bin Sohn, Bruder, Mann und Vater mit seltsamen Anwandlungen, einer gewissen Distanz und dann wieder unberechenbaren Ausbrüchen, aber doch wohl ganz lieb. Lange wollte ich Kunst "wissen", verlor mich in Begeisterung für Marx, Kraus, Schopenhauer, Arendt, Jean Paul, Virginia Woolf, Sexton und viele, nicht allzu viele, andere.
Und als Beamter habe ich mit vielen anderen Staatsangestellten dafür gesorgt, dass diese Republik funktioniert, sich erneuert und bleibt, was sie war. Darauf bin ich in Rücksicht auf diese Tagung stolz.
Vermutlich werden wir Alten das Problem politischer Wurstigkeit weder lösen noch überhaupt richtig darstellen können. Wir versuchen, die Fragezeichen vom Horizont zu schieben. Auch wenn wir nicht sehr von Erfolg überzeugt sind, sind wir doch ausreichend interessiert.
Mir fällt ein Satz ein, den ich einem Freund geschickt habe: Die Zeit lächelt mir zu, während sie die letzten Kapitel des Buchs Leben umblättert. Oder sind es schon die letzten Seiten? Okay, ich lebe. Lassen wir es dabei. Und laß uns eine Seite aus dem Buch des Lebens nehmen, um die Wärme der Liebe zu erhalten.
Was war das Ergebnis des Kongresses? Wie so oft habe ich ihn ohne besondere Aufmerksamkeit für das Thema, mehr mit Interesse für die Anwesenden und ihre Haltung verfolgt. Wie so oft war es schön. Gemeinsames Nachdenken von verschiedenen Seiten aus.
Als ich die Teilnahmebescheinigung ausdrucken will schiebt eine nette Dame einen Zettel dazwischen. "Darf ich?" Aus dem Drucker kommt ein Blatt Hakenkreuze.
Ich denke, dass sie es nicht schaffen werden. Die jungen Leute haben ausreichend kritische Vernunft.
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