Georgia on my mind
Als
deutscher Besserwisser über Stock und Stein.
Kult und
Ungeduld in freundlich-unbequemer Marschroutka und Goldkuppel des Ego. Dr.
Smirc fragt mich, ob wir uns in unserem Alter die Ewigkeit noch leisten können.
Laß doch
erstmal die Zeit kommen. Es gibt auch schönes Wetter, beeindruckende
Landschaft, Freundlichkeit und Erfolg menschlicher Anstrengung.
Was ist
wichtig? Anständiges Essen, funktionierende sanitäre Anlagen, Straßen.
Freundlichkeit!
Und der
Mensch bleibt Mensch, wo Wichtigkeit selbst zerbricht (Grönemeyer).
Dies sind
Reflexionen zu Erlebnissen des Ungeplanten im Geplanten. Literaten können keine
Länder und Zusammenhänge schildern. Dazu gibt es ausreichend gute
Reiseliteratur. Sie schildert zutreffend und ausführlich, was das Unbekannte
den Fremden bekannt macht. Das genüge. Dies hier sind Anmerkungen eines viel zu
oft witzig sein wollenden Besserwissers, die dem Blick aber vielleicht doch
einen anderen Winkel öffnet.
*
Der Tag
beginnt um 9. Geht auch!
Friedlich
gemachte Hunde mit einem gelben Lederknopf im Ohr legen sich vor die Füße in
den Schlaf.
Kutaisi
Auf dem
Kirchhof über Kutaisi betrachten die Statuen der Toten die Betrachter. Einer
blickt über den Fluss, weg vom Zentrum nach Russland hin. Sieht er den
endgültigen Sieg des Sozialismus im Auge des Moskauer Archen?
Sulo heißt die Abfalltonne. Aber das
Fernsehn ist Putin auf 20 Kanälen. Kein Bild von Babuschka Angela Merkela.
Das
georgische Taxi weiß, was man fährt. Mercedes okay. Doch nützlicher ist ein
Hybrid von Toyota.
Europa
verpasst den Anschluss. Trump brüllt wütend hinterher. Mit so einem leben zu
müssen, wer hätte das in den Zeiten des Friedens geahnt!
Der
erblondete vor der lifebet, die schwarz gekleideten Schauspieler auf dem Platz,
die für das Glücksspiel tanzen. Schnell reich werden. Ders geschafft hat, fährt
am looser vorbei.
Die Armut
aber ist auch hier fett oder dürr voll Alc.
Strassen
des Zerfalls. Statt Rollator empfehlen wir Gehstöcke. Dort spielen sie noch
Domino. Ist das schon Aufbau oder noch
Abriss? Hoffnung oder Erinnerung? Mit Baukleber befestigte Poller aus
Beton, zwei sind schon umgefallen.
Jacobs-Kaffee
und Carrefour haben das Land entdeckt.
Vor
Spezialitäten wird gewarnt. Manchmal ist Schwarte in der besonderen Wurst. Da
hilft auch der Schnaps Chacha, ein Grappa, -nicht.
In Tiflis wird Sulo zu Razak. Irgendwie
wirkt alles etwas östlicher.
Touristen
strömen durch die Souvenir-Viertel der Stadt. Aber schon etwas weiter drinnen
regiert noch das Blechdach, auf dem sich eine Katze ihre Hitze holt. Überhaupt:
Tiflis - Berlin. Oben hui, unten Einbruch ins frisch Renovierte und offener
Verfall.
Keiner
weiß, wo die Tourist- Info ist.Aber es gibt freundliche Leute, die fragen,
helfen und Dich geleiten.
Nachrichten: Oh weh! Die SPD steigt
weiter ab. Die Arbeiter glauben ihr nicht mehr, die letzten Intellektuellen und
die Jugend geht zu den Grünen. Man unterstellt - wohl nicht zu unrecht- Ehrgeiz
anstelle von Haltung. Die paar alten Jusos und Gewerkschafter von 70 halten es
nicht.
Katzenmauz
von Batumi zur Nacht erinnert an das
Heulen der Hunde von Soroka....
Tbilisi
II
Das Fest
der Unabhängigkeit. Europa wählt Sicherheit und Braves gegen die Wut der Angst,
die dem Stammtisch vom versagten Privileg gehorcht.
Fein Süßes
von Sapone auf dem Weg zum Platz der Freiheit, wo St. Georg den Drachen Lenin
lanzt.
Wir sitzen
bei zwei Jungs, die immer noch Doors spielen und Stairways To Heaven. Dann essen wir beste Khinkali in einer uns sonst
unangenehmen Edel-Athmosphäre. Der Mittelstand tut auf reich. Es schmeckt
trotzdem ausgezeichnet.
Am Morgen
bellen die Hunde (Vorschlag der Rechtschreibeprüfung aus aller Zeit:
"bellen die Kollegen") - Der Bus aus China wird doch noch nicht
das Frühstück geordert haben. Etwa eine der fetttriefenden Pfannenwürste vom
Nepp in der Zwinkerstrasse!
*
Kfz in
Georgien, aus D mitgebracht:
Der
Mörtelmeister 5200, Wasserrettung Bad Nauheim, Friedberg, Kiel-Oslo-Kiel,
Ruhland Fußbodenbau Wertheim, Jäger str.8.
*
Shiit und
Sunnit teilen miteinander die Moschee in Tiflis. Solche Ökumene soll schon bei
der Einwanderung aus Aserbaidschan gewesen sein.
Ein
Wermutstropfen: fanatisierte Jugendliche der Kisi, aus Tschetschenien kommende
Minorität, ließ sich auf die IS ein.
*
Die
Schwefelbäder riechen gelb von unten. Von oben aus dem gelben Duft des Ginster
ein frischer Wasserfall.
*
Gläser
weg! Kaum ausgetrunken stürzen Kellner und Kellnerin herbei, abzuräumen wie im
Nepp des Massentourismus Rom oder Barcelona.
Nur: hier
geht der Gast und das Lokal verströmt gähnende Leere. Soft skills,
different in different places...
*
Musik und
Wurst triefen in Fett und Knoblauch. Die Lockvögel für Touristen lächeln apart
und apatisch.
*
Moslems
sind prüde? In der orthodoxen Kirche X lernst Du engste Verehrung vom besten
Stalin kennen.
Im
Hinterhof schlägt die Geldgier auf die Not ein. Ideologie, Schnaps und
Gottesfurcht in Zeiten des Umbruchs.
Datsche
oder Klitsche: Der menschliche Maßstab der Eisenschiene.
Wer kennt
nicht Karajan, den armen armenischen Schreiberling in Georgien?
*
Gori
Anbetung
der Größe. Hauptsache stark! - Vorsicht: Mensch!
Ein
Gespräch mit jungen Polen. Ja, die Verehrung Stalins ist auch nicht besser als
die einer Hostie der frommen Verlogenheit. Wo das Kloster die Kader wieder
beerbt. Europa sollte Georgien endlich aufnehmen.
Tiflis.
Edle Meile, verrotteter Bezirk.
Ein König
grüßt dich überall und sei's nur ein Landrat. Hier wird verehrt.
Das
Denkmal gehört mit Sand gestrahlt. Doch gib nicht zu viel Druck in Schlauch der
Ewigkeit. Sonst musst du wieder anfangen.
Der
altgediente Funktionär, den sein erfolgreicher Gowarisch nicht mehr grüßt.
Man sieht
das Ding tatsächlich wieder oder noch - Bettelstab.
*
Vordrängen in der Funiculare.
Dir Fun,
und das Vordrängen wie okay für ein Pärchen junger deutscher Touristen. Zu
allererst aber darf der fette Priester sich durchdrücken, der den fetten
Funktionär abgelöst hat.
*
Abends
fließt gut georgisches Schmalz a la Peter Alexander oder weißem Bademantel zum
guten Essen. Die Russen sind besseres gewöhnt. Warum sollen sie Beifall
klatschen?
Wovon nur
singt der Sänger des Schwulst? Von Liebe? Jedenfalls klatschen jetzt alle.
Wovon
schriebst Du, Journalist des Sports, italienisch verstehen wir einander, der
uns den Weg zeigt? Voll Stolz im Ich zum Ich.
*
Gespräch
mit einem auslandserfahrenen Tiflesen.
Was redest
Du da von "verrottet"? Ich war in Manchester und durfte als Weißer
nicht ins Afrikaviertel. Erst als ich mir einen arabischen Bart stehen ließ.
(Was wissen die Brexler von Welt?) Birmingham hatte 5, London gefühlt 15
no-go-areas.
Als die
Russen drohten und Hamsakurdia nur noch Georgier dulden wollte, flohen aus dem
Viertel Armenier, Russen, Juden, Türken, Perser, Aserbaidschaner und Ukrainer
in den Westen oder nach Moskau. Heute nach zwanzig Jahren kommen sie zurück,
sehen ihr kaputtes Haus und wohnen um die Ecke im Hotel.
Warum
sollen die renovieren? Der Staat hilft wohl nicht.
*
Gori
Stalin,
der Große zur Zeit des germanischen Bandenführers.
Im ersten
Raum außer der Mama keine Frau unter all den Revolutionären. Eine echte
Verehrung des heiligen Vaters und Führers Woschd.
Die Werke
in alle Sprachen übersetzt, nicht in die von Marx oder Honecker.
Laßt die
Heiligen ruhen!
Freiheit:
verachte Verehrung, die heilige Jungfrau der Mörder!
*
Ja, es
gibt ihn noch, den Bettelstab. Alte Frauen betteln unermüdlich auf wackelnden
hölzernen Stühlen. Wird das nicht auch bald deutscher Alterssitz sein?
*
DDR und Georgien.
Georgien erholt sich gerade von der AFD und geht froher in die Zukunft. Kein
Pegide weit und breit. Hier ist es noch wie Friede unter klammem Rock..
*
In Batumi
Ein T-
Shirt: Prada? Es heißt doch Prawda!
Die
schwarzen Kleider der alten Frauen haben den Sozialismus unbeschadet
überstanden. Der Kapitalismus ist nicht stärker.
Tradition
und Person schließen einander aus. Das nutzen die Demagogen. Kulturträubler vom
Literatentrog.
Nachricht aus D: Die Schnacksel,
Konkurrenz der Megären. Wie auf Seiten der Männer der Rülps eines Strache. Die
haben doch keine Ahnung von den Hoffnungen und Freuden in den Gassen Georgiens
und der Welt.
*
Signaci
Backpacker
vom Don't eat suchen nach der Farbe des Nichts. Und überall der -
Königreichssaal. Hassobjekt Russlands. In der selbst illuminierten Höhle
glücklicher Zukunft.
Ein
gewaltiger Aufwand für den Effekt eines Joints.
*
Man sieht
Dir den Touristen an. Die Preise gehen rauf und runter nach Geschick der
Verkäuferin. Oder Taxi. Der Preis springt von 5 auf 20 Lari, 1,70 Euro zu 6,70.
Ja: immer noch billig. Aber willst Du es Dir gefallen lassen?
*
Der
Untergrund fließt. Das hundertjährige, fünfig-, zwanzigjährige Pflaster mit
kniehohen Bordsteinen wackelt, kippt, zerfällt zu inertem Material. Obwohl
schöner als in D: niemand spuckt auf den Boden.
*
Die
Genialen, in Steinplatten an den Wänden vermutlich hymnisch gefeiert, in
Häkelschrift. Auch in verständlichen Zeichen: sie wären nicht weniger vergessen
als Nino Haratischwili, die hier niemand kennt! Nur Berta von Suttner, die
Heilige des Karl May ist erkennbar verewigt. In einer Tafel von Kutaisi
*
In dieser
Übergangsgesellschaft fahren und knattern oben noch die russischen
Grobschnitzer, (beleidigt über den Verlust der Vorherrschaft wie sonst nur
Brexitler, Gelbjacken oder Pegiden) schwatzen unten aber schon die Weicheier
von der neuen Sehnsucht. Wie Gespenster ziehen die schwarzen Priester ihre
Bärte durch das sich bekreuzigende Heimweh nach dem Selbstbetrug. Hinz- und
Kunsthistoriker interpretieren die Ewigkeit weiterhin nach dem Hirnmix einer
Ikonostase.
*
And You? Now you are Eleanor Rigby. Schönheiten, etwas für junge Leute:
der Übergang von der georgischen Madonna zur russischen Matrone erfolgt
unvermutet plötzlich. Wenn Du falsch fragst oder gibst.
*
Eine
deutsche Frau, deren beide Töchter durch die sprachfernen, von Hunden bewohnten
Ecken des Parks streifen.
Königreichssaal?
Neu-altdeutsche Erziehung? Lätscherte Hippie? Genervte Mutter? Aus dem
Helikopter ins Chaos gestürzt.
*
Turkish
Oil. Das waren wohl früher einmal zwei gut gehende Tankstellen auf dem Weg zum
Flugplatz. Ob sie an Hybrid oder an Konkurrenz eingegangen sind?
Kühe, je
etwa 10 in der Tanke. Sie halten nichts von der Klimapanik, sonder nehmen ein
Bad Schatten unterm Dach. Der Duft von Diesel in Milch und argentinischem
Steak.
*
Wo Du auch
bist, der Betriebsausflug ist dabei. Die gute Laune, die Drängler, der Spaß und
der Ochs.
Wie?
Wiehernde Ochsen?
*
Am
Flughafen
Der kleine
Dschugaschwili hält die ganze Familie in Atem und Laune. Er reißt dem Onkel
unter peinlich berührtem Lachen der niederen Verwandten fast das Ohr ab.
Wenn das
Kind König wird, oder der König zum Kind! Einbruch der Willkür und der
Grausamkeit in die Menschen.
Noch
Kleiner Dschugaschwili, oder schon kleiner Trump? Jedenfalls kein Duchoborz.
*
Sowjetischer
Alterssitz
Ältere
arme Damen setzen sich auf die Bank und stellen eine Waage vor sich auf, um
fürs Wiegen den einen oder anderen halben Lari zu bekommen. Spricht frau sich
miteinander ab über den besseren Standort, Sitzort nah am Touristen oder rennt
sie früh los, um sich den Vorteil zu sichern?
In Tiflis
sind die Touristen geiziger, ist die Konkurrenz gieriger oder das Geschäft
schon näher der Betriebswirtschaft. Man, frau muss sich tiefer bücken, sich
mehr einfallen lassen, faken, um aus der Beschämung Nutzen zu ziehen.
*
Neue
Nachrichten aus Israel: Netanjahu führt Apartheid für Frauen ein zur Förderung
des Antizionismus.
*
Heimkehr
mit der Regio. Manchmal sieht man Züge, die fahren.
Ich stelle
mir vor, wir wären noch in GE und schalte herunter in den Wut -Normalmodus.
Zwei junge
Frauen stöhnen, wie schrecklich ihre Alten sind. Die schalten die Hörgeräte
nicht ein, schreien, wehren sich gegen W-LAN und sind nur wütend.
Der
Goldjunge schreibt über Werbung und Marketing im Wandel der Zeit. Zeit war der
Überbegriff.
Abi immer
wieder. In der Ewigkeit?
"Weißt
Du, in der Ausbildung wird einem alles vorgegaukelt. Und was man hat, das hat
man, kann einem niemand nehmen. Und dann hat der Schulleiter gesagt. Ja, was
man hat... "
"Du:
ich hab mir Taubenköttel (Traubenklöppel) gekauft."
Wie? In
Meran? Da liegen sie ja im Botanischen Garten herum, und wenn Du sie aus dem
Trockner holst, sind sie zwei Größen geschrumpft. Das ist China, weisch?"
Nach dem
Vertrauensschwund der SPD sind überall wieder angst - und lusterfüllte
Besserwisser unterwegs.
In wenigen
Worten wird die Paarungszeit vorbei sein und die ganze Kolonie wird ins Meer
der Wellness zurückkehren.
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