Samstag, 8. Juli 2017

Vor dem Tor

Reden wir vom Alter.

Man weiß nun, was die jüngeren nicht hören wollen: daß man eben nichts weiß und auch nichts weiter mehr dazu lernen wird. Das Leben taugt nicht zur Schule. Es ist wohl einfach nur der Raum, in dem Du die Wunder der Existenz betrachten und erleben darfst, bzw. mußt.
Ob es sich lohnt?
Für welche kurze Zukunft willst Du das noch wissen?
Gott kann da auch nicht weiter helfen. Er läßt ja das ganze Firmament von Raum und Zeit offen (fruchtloser Versuch Einsteins und Russels, es zur Beugung zu bringen). So gehen wir und schauen, sofern es uns vergönnt ist, den Schmerzen und dem Verlust zu entgehen.
*
Vor dem Tor

Ich trete ein zu Dir, denn mit mir habe ich heute schlechte Erfahrungen gemacht.

Ich spüre das Wort in der Nähe. Ein Mann aus dem Osten spielt auf dem Akkordeon die Toccata von Bach!
Ja, er hat keine evangelischen oder katholischen Orgelpfeifen hinter sich, das Publikum hat besseres zu tun als im Hasten zu hören. Der Hund bekommt mehr in den Napf als er in die Hand. Aber dies ist Gottes Augenblick.
In einem Garten zwischen Riesenpappeln, Kartoffeln und Froschteich gräbt ein erfülltes Leben die Erde um. Es ist Frieden im Atmen des Windes vom Bach her. Schmetterlinge taumeln im Netz über den Johannisbeeren. Ein Maulwurf hat feinkrümelige Hügel aufgeworfen. Die Aufmerksamkeit bettet sich ins Grün.
Wie viele Jahre? Was ist seither geschehen? Wenige Erinnerungen an Schönes, Leichtes, an Glück und Hoffnung sind geblieben. Die anderen haben einen siegreichen aber auch verlustvollen Kampf gegen Trauma und Enttäuschung geführt. So leuchtet es in einer warmen Färbung aus den mächtigen Schatten.
Gurken, Zucchini, Mangold. Der Rasenmäher umfährt die hohen gelben Blüten.
Da war Kindheit. Ganz anders. Aber der Duft aus der Wiese trägt etwas von der würzigen Sehnsucht in sich. Wie weit erstreckte sie sich hinter den Wolken! Wie weich sprach ihr Weiß von wundersamen Landschaften, Lohn des Abenteuers, von einem fernen, seltsam freundlichen Du.
Was die DNA wohl damit meinte? Dieses bedeutungsvolle Zeigen auf irgendein Wunder! Sollte es der Evolution zu einem noch feingliedrigeren, noch verschrobeneren Affen helfen? Oder war es Ausdruck einer bereits ausgemendelten Hirnautomatik, genannt Phantasie?
Aha! Wer schaut da wieder mal um die Ecke? Dr. Smirc aus dem Cafe' Psycho. Er sucht einmal mehr nach seinen Stimmen. Es ist einsam ohne ihre Bewertungen, Anweisungen und sonstigen Narrheiten. Dr. Warnix, Psychagog und Bioxell, ruft in den Garten hinein: "Hej Jacko, ich hab sie!" Man hört es hecheln. Sie tunken ihre feuchten Schnauzen ins Gehirn und saugen Deine Seele aus.
Das wollen wir lieber verscheuchen. Smirc schnappt sich die Leinen und geht mit Dr. Warnix Richtung Klapse davon.
Du bist wieder allein in Deinem Idyll Grün.
In einem Garten wundergrün
Einsamkeit und Stille blühn.
Sonne, Regen, Wolken ziehn,
Blau steht über Grau.

Ferner Donner über den Baumkronen. Um das Dunkelrot der Blüte summen kleine Fliegen. Die Erde färbt sich im Wasserguß. Ein Buntvogel hüpft in der Hecke nach Schmetterlingen.

Komm, setz Dich zu mir, von alten Zeiten zu sprechen. Als wir in diesem kleinen Fluß plötzlich die Zeit verloren hatten und in einem Traum vorantrieben. Die Bucht hieß Ende des Tages, Pforte, Erwartung. Und die Wellen trugen das Gepäck schweigender Liebe sanft an Land.

Natürlich tauchten wir auf wie sonst aus den Gezeiten froher Gespräche. Natürlich gruben wir das Leben wieder um für ein morgen. Doch schön war der Abend.

Unter dem sich entfernenden Donner breitet sich die Stille aus. Ich drücke die Zigarillo in die Erde und sage Tschüs. Ein Regen fällt ein.

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