Dienstag, 6. Dezember 2016

Baum im Winter

Spassiba, meint Dr. Smirc, aber mein Baum: sieh ihn Dir an. Es wird nie mehr so sein. Wenn so ein starker Ast erstmal abgebrochen ist. Mir scheint, als hätte ein riesiger Schmerz ihn getwistet. Jetzt sind alle Blätter gefallen. Und keiner kann sie wieder anheften.
Dr. Warnix, Psychagog und Schmalhans bei allen Küchenprofis, holt tief Luft: "Ich habe keinen Trost als die Umarmung eines Freundes.
Vielleicht hilft Dir der Gedanke an die stete Wiederkehr des gleichen."
Smirc: " Ja, ja: der Frühling wird helfen, da ist noch Kraft in Stamm und Wurzel, und nachwirkende Hoffnung aus dem Leuchten der Erinnerung. Ich sage das Ja eines Jeziden zu Gott und den Dank eines Monotheisten.
Aber dann wird auch all dies zum Ende kommen. Es wird nie mehr sein."
Warnix: "Jetzt mal langsam. Der Schmerz ergießt sich dunkel über den Tag in die Erinnerung von Tagen. Aber Nichts wird nie sein. Aus der Zukunft stürzt Werden und Verwandlung in den Verlust. So groß er sei, da wird Wandel sein und neu, was anders war.
Die Ewigkeit von Existenz ist nicht Trost in der Vernichtung des Ich und seiner Sehnsucht im Verlust.
Aber wenn auch alles aufgelöst sei, so gibt es doch immer wieder Geborenwerden eines Neuen und vieler. Erfüllt es Dich nicht mit einer 3-Grad Hintergrundstrahlung von Freude, dies zu erleben, einst erlebt zu haben?"
Smirc: "Ich werde nicht sein!"
"Ja, der Ast wird nicht mehr wachsen. Aber was Du warst, wird weiter sein. Nicht Staub. Staub von Sternen! Und dies war jener Ast. Ihr werdet sein, was ihr wart, Teil - von Allem."
Smirc denkt: "Was ist denn der Unterschied zwischen so einem Verständnis und dem eines Atheisten?" Nun ja, er glaubt nicht an Gott sondern an ein Irgendwas, an das Nichts dessen, was das Dasein ausmacht.
Dr. Smirc wirft Gott einen Euro in den Pappbecher. Sie gehen schweigend nebeneinander her. Gott ruft ihnen einen schönen Tag hinterher. Das war zwar nicht gerade eine Weihnachtskugel, für einen Glühwein reicht es aber noch.
Hoffen wir ihnen Frühling und Trost.
Klaus Wachowski       4.12.16
P.S.:
Am Scheideweg erhebt sich die Frage, ob ich angekommen bin und, wohin ich weiter will. Es zeigt sich, dass die Zukunft außer Zukunft nichts zu bieten hat und die Erinnerungen der Vergangenheit stark rosten. Stärker als damals in den von der Hoffnung gepeitschten Zeiten stellt sich die Vermutung ein, es wäre für den mit Vernunft begabten Menschen doch wohl angemessener, der Ewigkeit mit den offenen Augen der Gegenwart zu begegnen.
Du siehst dem Wunder der Liebe, Freundschaft, des Lebens gegenüber den Verlust von Liebe, Freundschaft und Leben. Wenn Du nicht gerade Buddhist bist, wirst Du beim Ja bleiben und dankbar. Oder, wenn Du enttäuscht bist, sagst Du Nein.
Mag Dir im Verlust noch genügend Liebe und Erinnerung bleiben zum Ja.
Ich meine: Geboren sein lohnt.
6.12.16

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