Sonntag, 23. Oktober 2016

Ein Kiesel



Die Stimmen von Muezzin und Rabbi sind hinter der nächsten Kurve der Zeit verklungen. Da donnern die Glocken unter die Erde. Mächtige katholische Walzen, die Gott die Bedingungslosigkeit seiner Gnade nicht abnehmen. Der steht am Eingangstürl und läßt erst mal dem Atheisten den Vortritt. Sie schweigen.

Aber wer schlendert denn da fröhlich plaudernd durch die Gräber? Der bekannte Dudler Reinhard Mey rührt ein Bißchen zarte Langeweile in den Samstag der SZ ein. Er plauscht von Ewigkeit und Schönheit, wie man es kennt. Kein Sterbenswörtchen säumt seinen Vortrag.

Schicksal der Auftragskunst: "Mal doch mal wieder was Schönes!-"
*
Du aber findest tiefer im Sand einen Kiesel.
Du schlägst ihn auf. Er splittert.
Nach innen zu ist der Kristall dunkler, bis schwarz.
Da war eine Höhlung.
Dem aufgebrochenen Schmerz entfloh die Trauer.

Du nimmst den Stein in die Hand.
Aus der Erwärmung spricht es: "Laß mich!"

*

Ein Ewigkeitsgeschwätz.
Schmerz hat kein Ende, Liebe hat kein Ende. - In der Zeit.
Die Ewigkeit hat noch etwas mehr zu bieten:
Gegenwart, Erinnerung, Hoffnung, Gehen und Vergehen.

Gott meint: "Laß doch den Plauderer!" Du guckst doch auch RTL!
Und Richard sagt: "Srebrenitza."

Ich berühre die Erde.
Ich lege den Kiesel in die Erde zurück.

23.10.2016 Klaus Wachowski



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