Donnerstag, 5. März 2015

Vorteil und Vorurteil



Mein Leben scheint von Abschieden bestimmt.

Nun habe ich bei der Jean-Paul-Gesellschaft gekündigt. Ich habe in meinem Arbeitsleben erreicht, was zu erreichen mir vergönnt war. Der Ausgleich in den Nebenzimmern eines anderen Lebensentwurfs ist nicht mehr erforderlich. Die Begeisterung für den Dichter löst sich aus dem Korsett des akademischen Monologs. Mag sein, dass sie dabei aus der Form geht. Es ist ihre Form.

Es waren wunderbar erfüllte Zeiten, wenn zu Frühlingsbeginn und Dichters Geburtstag die Gesellschaft rief. Die Krokusse Bayreuths leuchteten aus dunkler Erde in dunkles Herz. Frühling brach aus dem Winter und Bilder und Szenen einer Literatur der Sehnsucht zogen mich durch einen Tagtraum aus Erinnerung und Ahnung. In der Hauptstadt des Wahns ein Bukett von Blüten.

Zu Beginn dann schon die Begegnung mit einem Häufchen Staub, das mürrisch auf den Knochen der Archive lagerte und nach Zukunft seufzte. Heute hat es sich einen Erfolg von Gegenwart erschmeichelt. Aber das ist menschlich und überall und hält nicht ab von Menschen.

In den Räumen des heiligen Wagner waren wir gnädig aufgenommen. Aus den Regalen keuchte der Judenhass. Keine denkbare Entschuldigung, die nicht den Skandal der guten Stimmung vor der Qual, hier lange weilen zu müssen, klein zu halten suchte. Den Dichter des Todes im Leben im gleichen Schnarcher mit dem Wichtig der romantischen Brunst nennen, den Freund des Machtlosen in einem Zug mit dem kollernden Ich-will.-

Die Begeisterung am Dichter musste folglich an Einsamkeit sterben unter Interessen, von denen das des Berufs noch das sympathischste war. Wie elend mußte es der Sehnsucht ergehen, wenn ihr der Staub eines Museums nicht von einem Fährmann der Begeisterung, sondern von einem Ruhmputzer der Ehrenquaste ins Gesicht geblasen wurde! Wenn sie vor Doktoren des Jean Paul ihre Wut gegen die Nibelungen-Koller von Karrieristen unterdrücken mußte. Vorteil und Vorurteil, die nationale Mischung.

Am schwarzen Kanal im kühlen Regen nahm ich zum ersten Mal im Leben wahr: die Hinfälligkeit und Tapferkeit alt gewordenen Lebens. Aus der Kirche orgelte Bach eine Kadenz der Ewigkeit und dem Wahn des Narzissmus antwortete aus Krokus, Bach, blitzendem Sonnenstrahl und Vogelgesang das Wunder Ja des Lebens.

Das ist vorbei.

Es ist nicht die Schuld eines Sehnsucht in die Sauerkrauttonne des Gemüts tauchenden literarischen Heimatvereins. Gegen dergleichen ist die Gesellschaft erfrischend trocken. Es liegt vielmehr an meinem etwas langsamen Biorhythmus, der Jahre braucht, sich neuen Horizonten, Hoffnungen und Haltungen zuzukehren, wo andere längst ihre Wurzeln ineinander verkrallt haben, dann aber keine gute Erinnerung mehr zulassen will.

Was wäre zum Abschied zu sagen? Dass ich bezüglich Jean Paul geblieben bin, was ich war und der Gesellschaft Erfolg wünsche bei dem Unternehmen, dem Dichter eine Wagenspur im Sand der Ewigkeit zu erhalten und sich selbst eine Kerze am Rand des Ruhms zu entzünden. Wie rasch löscht es die Erinnerung, weht es der Wind vorbei an den Resten von tausendjährigen Reichen, von Glamour und Terror des Wahns.

Hellgrüne Filzdecken, gelbe Plasti-Keier, braune Plasti-Khäschen, Kücken, Deko rundum. Hinter Schurz und Blaumann, aber auch aus Krawatte und kleinem Schwarzen schauen die Menschen des Jean Paul mürrischen Gesichts aber voll sehnsüchtiger Hoffnung in die schweren Regenwolken. Mögen sie nach dem Wegziehen des Vorhangs die bunten, nicht die weißen Blüten sehn!

Mit einem Dank ans Leben für wunderbares Erstaunendürfen
und in der Hoffnung, es auf neuen Wegen wieder vorzufinden.

18.2.2015

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