Dienstag, 23. September 2014

Achilles und die Schildkröte die

Achilles läuft los. Als er zu dem Stein kommt, an dem die Schildkröte soeben weggegangen ist, erreicht sie gerade den Baum. Als er den Baum erreicht, ist sie zwei Schritte weiter. Als er dort eintrifft, ist sie wieder etwas weiter. Noch näher kommt er. Aber gerade hat sie sich noch eine Winzigkeit von diesem Punkt entfernt.
Erreicht Achilles die Schildkröte nie?

Welchen Streich spielt uns die Vorstellung?

Vielleicht sind wir in eine Falle des Abstraktionsvermögens getappt. Wir stellen uns Punkte vor: Achilles erreicht Punkt x, von dem die Schildkröte sich gerade entfernt. Aber es gibt -außer als Hilfskonstrukt der Vorstellung - nicht wirklich Punkte. Achilles erreicht eine Stelle, an der sich der Körper der Schildkröte noch befindet und von der er sich gerade wegbewegt. Als Achilles hier ankommt bewegt er sich schneller als dieser Körper, schiebt sich an ihm vorbei, bis er ihn überholt hat.
Oder betrachten wir es von Achilles aus: während die Schildkröte sich um einen ihrer Schritte fortbewegt, ist er schon zehn davon gegangen. Kommt er an dem Stein an, von dem sie sich wegbewegt, braucht er nur noch drei, um an der Stelle anzukommen, wo sie sich dann befindet oder vier, um sie zu überholen. Im Augenblick des Überholens stehen beide nicht an einem Punkt der Zeit still, vielmehr befindet sich mindestens Achilles in Bewegung -auch weg von der Schildkröte.
Wenn wir die Zeit einfrieren auf einen Moment, bleibt es bei der verschwommenen Vorstellung, die uns auch die Kamera zeigt: Dieser Teil des Körpers befindet sich an dieser Stelle, ist aber "gleichzeitig" eine Winzigkeit weiter. Er ist da und nicht da, da und gleichzeitig dort.
Was ist nun wirklich? Es bleibt uns wohl nichts übrig, als diese Gegebenheit der Wirklichkeit namens Bewegung akzeptieren und diesem Ergebnis unserer Anschauung mehr Gewissheit einzuräumen als der von unserer Anschauung abgezogenen Logik, die wütend ruft: Es kann nicht gleichzeitig etwas sein und nicht sein.
Und noch einmal anders herum: Dass etwas gleichzeitig an diesem Ort ist und nicht da, sondern am nächsten, bedeutet ja nicht, dass es nicht ist. Dies ist wohl die Möglichkeit, das Rätsel zu lösen: Achilles trifft also soeben am Stein ein, ist aber auch schon ein Stück weiter. Und zwar schon etwas weiter als die Schildkröte, die sich auch von eben dieser Stelle wegbewegt.
Ist also die Quantentheorie, nach der angeblich Teilchen sowohl sind als auch woanders sind, gar nicht so seltsam, sondern nur eine besonders unscharf betrachtete Erscheinung von Bewegung?

Weiterungen: Es gibt keinen Punkt. Etwa die Ecke eines Körpers. Der Teil des Körpers von A, der sich soeben noch hier und schon etwas weiter befindet, ist ja auch Teil des angrenzenten Körperteils, der nun an seiner Stelle ist und doch noch an der alten. Es gibt keine Oberfläche ohne Körper. Versuche sie zu betrachten. Ohne Ausdehnung sind nur die Konstrukte unserer mathematischen Vorstellung, die sehr interessant und hilfreich sind, aber ebenfalls zu Irrtümern über Angelegenheiten der Wahrnehmung führen können.
Rätsel, die Spaß machen. 23.9.2014

Nachbemerkung Achilles:
Gleichzeitigkeit an einem Ort? Also, während die Schnecke sich noch auf Punkt A befindet aber wegbewegt, kann doch nicht Achilles sein und eintreffen?
Erstens ist ein Zusammenstoß nichts Unmögliches, zweitens ist Gleichzeitigkeit an einem Ort nicht ausgeschlossen, wenn es einen Ort, nämlich eine Stelle in der Zeit betrifft. Gleichzeitigkeit ist ja möglich durch das Nebeneinander der Erscheinungen, den Raum. So treffen Schnecke und Achilles sehr wohl gleichzeitig an einer Stelle der Zeit ein - während Achilles die Schnecke überholt - nebeneinander.
Das Rätsel spielt also auch mit der Verwechslung der Bedingungen von Raum und Zeit.

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