Sonntag, 31. August 2014

Sound-Monarchien

Es ist Spätsommer, Frühherbst und in mir steigt die Lust auf Feeling Japanese.

Ein Frosch springt vorbei. Yoriko hat ihm eine Kanne Wasser übergeschüttet und er sucht verzweifelt nach einem Nebel, in den er verschwinden kann. Die Blätter brennen vor Licht, die Mutter flirtet auf italienische Weise mit dem neuen Präfekturchef.

Welches Blau hat der Himmel, Richard? Deine Fragen schimmern wie das seidige Fell Deiner Katze Derrida. Nichts ist gewiß. "Oder kannst Du mir helfen?" fragst Du provokant.

Ich weiß doch auch nicht, bin durch die Sümpfe und über die meterhohen Gebirge der Philosophie gewatet, gekrochen, gefallen und so naß wie zuvor. Wenn wir jetzt noch Sokrates, Kant und Schopenhauer mitnehmen, geben wir eine herrliche Gurkentruppe für die hl. Allwissenheit im Betriebsfest Gesellschaft ab. Das stört. Das ruft die faulen Hausmeister vom Ideologentisch auf den Plan und ihre fundamentale Putztruppe.

Kommst Du mit an diesen Fluß? Jetzt darf ich dich am Arm nehmen,  bin ich doch schon zehn Monate älter als Du warst.

Die schwarzen und die grauen Wellen. Es ist als riefen tote Kinder aus der Ferne des Erdbebens bei Kawabata.  Erinnerungen rufen aus den Weinbergswegen, aus einem Hochweg über dem Rhein.  

Die Wolke erglüht an ihren ausgefaserten Rändern und zieht sich plötzlich weg von der Sonne. Das Wasser gleißt. Wir gehen unter das Vordach. Wir schweigen das Schweigen eines Friedens nach anregender Arbeit. Der Rauch Deiner Zigarette trägt all unsere Diskussionen über Gott und Mensch davon in die Vergangenheit, jenen verlorenen Teil der Ewigkeit, der immer ferner am Horizont der Erinnerung vergeht und nach Stürmen manchmal zerbrochen am Strand liegt. Yoriko nimmt sich einen Splitter davon mit, um nachts ihre Zigarre daran anzuzünden, eine echte Cubana unter Wasser trinkendem Mond. In den Whiskey singen die Zikaden eines Hörspiels von 1950. Wie weit das junge Japan ist!

Heino vom Frankfurter Kranz, Event-Meister des Zen irrt singend durch die Hallen der Saumagen-Toscana. "Ja bin ich denn in die Welt gekommen,  um dieses traurige Produkt edler Handwerkskunst zu betrachten?", fragt er sich spät in der Nacht, wenn er beifallbesoffen in die Blümchenbetten des romantischen Deutschland fällt. Er bezieht sich da wohl auf die amateurhafte Literatur der unwichtig tuenden, aber voll narzisstischen Gegenwart. Da süßeln sich doch russische und ukrainische Rechtsradikale in die zopfgedrehten Sehnsüchte einer orientierungslosen Region ein und Europa schnarcht dazu liebesgeschnörkelte Oden vergangener Tage, weil das Jetzt so langweilig Wellness ist.

Diesen nörgelnden Anteil des Lebens wollen wir aber nun vergessen, wenn wir Yoriko am Zaun ihres Hauses stehen sehen. Sie ist an die siebzig und um diese Uhrzeit schon etwas müde, erklärt uns, dass diese über Jahrzehnte gepflegte Hecke zum Nachbarn hin jetzt abrasiert wird. Der Mann ist krank und sie will nicht zweimal im Jahr Geld für eine Pflege ausgeben, die teuer und nicht professionell ist.

Erschreckend der Haufen zerrissener, geschnittener und gequetschter Äste und Zweige. Das ist der Einbruch aller Hoffnung. Man schlägt das Zelt ab, der Weg geht nun ins Tal.

Nicht schlimm, sagt das Leben. Ich bin noch da. Da liegen noch einige warme Fische auf dem Grill und es gibt noch ein paar Schwänke aus der Zeit der Bockwürste und Käsespieße vom Mundartmann. Die Blätter vom Feuerbaum haben einen schon zart bitteren Beigeschmack. Angenehm in Richtung Auflösung.

Da, ein Frosch springt aus der Hecke. Der Präfekt war wohl doch ein Zen-Praktikant. Yoriko schüttet ihm eine Kanne Wasser über den Kopf.

Die Wolke zieht sich plötzlich von der Sonne weg. Richard zündet sich seine zweite Zigarette an, ich nehme die Zigarillo aus - Sumatra.

Es ist als wäre es heute.

29.8.2013

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