Wie gering doch
die Kraft der Vernunft ist und wie gering ihre Hilfe.
Lautes Gespräch
am Nebentisch:..."Wie soll ich sagen?
Das war doch nach dem Krieg. Da hat man das doch gedreht, da konnte man
-wie sagen- doch all das Böse vergessen. Ich fahr da immer vorbei, wo die Sisi
geboren wurde. Ich weiß wie die Ärzte ticken. Der Doktor Sauerbruch war da
schon ganz weit..."
Der Junge geht in
die Straße. Über der kleinen Stadt drücken die Wolken. Es ist still. Die
Rollläden sind hochgezogen, aber die Fensterscheiben sind dunkel. Weiter hinein
in die Stille. Die Zweige sind schwer von regennassen Blättern. Ein
aufgeplatzter Tannenzapfen knallt auf den Bürgersteig.
Es wird noch
stiller. Denn jetzt, wo es aufgehört hat, fällt ihm auf, dass da noch ein
Zwitschern der Vögel gewesen war. Durch eine Allee von Einsamkeit geht er.
Es tut nicht weh,
zieht nur etwas. Gerade so viel, dass er das Gefühl nicht verliert. In die Welt
gekommen sein, zum Ende hin gehen. Und die Nachbarn gehen nicht in ihre Gärten.
Die Stille wird
tiefer. Ihm ist wie im Märchen. Ein Hund rast an den Zaun und bellt irrsinnig
auf ihn ein. Auf der anderen Seite versucht ein Alter mit dem Rollator von der
Haustür zum Hoftürchen zu kommen, bleibt stehen, kehrt um. Der Junge lächelt in
einen todmüden und gleichgültigen Blick hinein. Die Haustür schlägt zu,
schwerer legt sich die Stille in die Einsamkeit.
Da war eine
Kindheit, da waren Lieben, Freundschaften, Kinder. Erinnerungen wie
Sauerstoffperlen in der Stille. Ein Sonnenstrahl schneidet durch das Grau.
Aber wohin sind
Deine Hoffnungen geflogen? Manches liegt unter der Erde. Hinter den Fenstern
schläft das Leben, starrt das Mißtrauen auf Dich.
Er biegt ab in
die Seitenstraße. Da oben wohnt X. Im Garten raspeln die Nacktschnecken Blüten
und Blätter aus den Landschaften ihrer gemeinsamen Abende. Es raschelt und sein
Ärmel wird naß, als er den Bambus streift. Er hört, wie schwer sein Atem
hervorstößt, als er die Stufen hoch geht. Dann dreht er den Schlüssel im Schloß
um. Da steht X und freut sich.
Die Welt liegt in
einem dunklen Raum. So sehr die Galaxien und die Äonen kreischen und brüllen.
Wir hören es nicht. Weit hinaus vom ersten Tag aus reicht die Trauer über den
künftigen Verlust. Unermüdlich geht unser obdachloses Herz durch die Straßen
der Freiheit und der gemütlichen Beschränkung. Schwer wird es von Stille und
Einsamkeit. Nur tief unten glimmt die Erinnerung. Und ihr dünner Rauch heißt
Hoffnung. Dann öffnet sich ein Menschenherz. Der Raum leuchtet vom Staub der
Sterne.
Klaus Wachowski
P.S. Lies das
Buch der Dichterin Hannsmann. Sie verliert an Kraft. Sie verliert an Interesse.
Ob sie den Weg Hoffnung wieder findet? Sie bleibt wach.
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