Freitag, 30. Mai 2014

Stille Straße


Wie gering doch die Kraft der Vernunft ist und wie gering ihre Hilfe.

Lautes Gespräch am Nebentisch:..."Wie soll ich sagen?  Das war doch nach dem Krieg. Da hat man das doch gedreht, da konnte man -wie sagen- doch all das Böse vergessen. Ich fahr da immer vorbei, wo die Sisi geboren wurde. Ich weiß wie die Ärzte ticken. Der Doktor Sauerbruch war da schon ganz weit..."

Der Junge geht in die Straße. Über der kleinen Stadt drücken die Wolken. Es ist still. Die Rollläden sind hochgezogen, aber die Fensterscheiben sind dunkel. Weiter hinein in die Stille. Die Zweige sind schwer von regennassen Blättern. Ein aufgeplatzter Tannenzapfen knallt auf den Bürgersteig.

Es wird noch stiller. Denn jetzt, wo es aufgehört hat, fällt ihm auf, dass da noch ein Zwitschern der Vögel gewesen war. Durch eine Allee von Einsamkeit geht er.

Es tut nicht weh, zieht nur etwas. Gerade so viel, dass er das Gefühl nicht verliert. In die Welt gekommen sein, zum Ende hin gehen. Und die Nachbarn gehen nicht in ihre Gärten.

Die Stille wird tiefer. Ihm ist wie im Märchen. Ein Hund rast an den Zaun und bellt irrsinnig auf ihn ein. Auf der anderen Seite versucht ein Alter mit dem Rollator von der Haustür zum Hoftürchen zu kommen, bleibt stehen, kehrt um. Der Junge lächelt in einen todmüden und gleichgültigen Blick hinein. Die Haustür schlägt zu, schwerer legt sich die Stille in die Einsamkeit.

Da war eine Kindheit, da waren Lieben, Freundschaften, Kinder. Erinnerungen wie Sauerstoffperlen in der Stille. Ein Sonnenstrahl schneidet durch das Grau.

Aber wohin sind Deine Hoffnungen geflogen? Manches liegt unter der Erde. Hinter den Fenstern schläft das Leben, starrt das Mißtrauen auf Dich. 

Er biegt ab in die Seitenstraße. Da oben wohnt X. Im Garten raspeln die Nacktschnecken Blüten und Blätter aus den Landschaften ihrer gemeinsamen Abende. Es raschelt und sein Ärmel wird naß, als er den Bambus streift. Er hört, wie schwer sein Atem hervorstößt, als er die Stufen hoch geht. Dann dreht er den Schlüssel im Schloß um. Da steht X und freut sich. 

Die Welt liegt in einem dunklen Raum. So sehr die Galaxien und die Äonen kreischen und brüllen. Wir hören es nicht. Weit hinaus vom ersten Tag aus reicht die Trauer über den künftigen Verlust. Unermüdlich geht unser obdachloses Herz durch die Straßen der Freiheit und der gemütlichen Beschränkung. Schwer wird es von Stille und Einsamkeit. Nur tief unten glimmt die Erinnerung. Und ihr dünner Rauch heißt Hoffnung. Dann öffnet sich ein Menschenherz. Der Raum leuchtet vom Staub der Sterne.

Klaus Wachowski

P.S. Lies das Buch der Dichterin Hannsmann. Sie verliert an Kraft. Sie verliert an Interesse. Ob sie den Weg Hoffnung wieder findet? Sie bleibt wach.

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