Freitag, 30. Mai 2014

** Dichten wollen



Wer will sagen:"Goethe ist größer als Jean Paul!" ?

Einer, der Größenordnungen der Qualität mißt, einer aus dem literarischen
Katasteramt, dem Wettbüro der poetischen Bundesliga...

Wir Aktiven der Literatur, wir vom Wort Verrückten, wissen das nicht, haben keine Zeit für die Bedürfnisse der Konsumenten nach Qualitätssiegeln. Auch wir lesen gern oder ungern, auch wir finden Begeisterung und meistens Enttäuschung am literarischen Buffet der Menschheit.

Aber Du fragst, ob es vermessen sei, nun auch noch Dein Wort in den großen Haufen zu werfen? Ob es "gut genug" sei!

Hallo! Du willst schreiben? Dann komme heraus aus dem Klassenzimmer und geselle Dich zu uns! Wer Fußball spielen muß, weil ihn der Fuß juckt, wenn er etwas rundes rollen sieht, i s t Fußballer.

Die Amsel muss singen, der Dichter muss dichten. Ob Sie gut singt? Vermutlich gibt es Amseln und Menschen, die das zu wissen meinen. Sie ist Amsel und muss singen. Sie singt. Gehe hin und tue desgleichen, wenn Du es mußt...

Haltung statt Hoffnung, sich die Haltung nicht durch 
Hoffnung oder Enttäuschung zerstören lassen.

Verschiedene Arten zu singen: Goethe liebt es genial, mehr Kopf als Herz und möglichst keinen Bauch. Jean Paul sieht und fühlt von einem Standort des Idylls aus, dessen Hof sich allerdings nicht in einer Residenz befindet, sondern im Garten Ewigkeit mit Leuchtkäfern auch vom Friedhof her. Ob Du als Torwart oder Libero spielst, Du bist Fußballer. Laß Deine Bemerkungen über die 
Mitspieler.

Es gibt Reimeschmiede und Söldner der Weltanschauung. Auch sie schreiben, begraben das Wort unter dem Bauschutt einer Technik und den Spams einer Willensreklame. Man kann sich als im Ernst Begeisterer schon über ihr Erfolgsgeschrei und das rotierende Halleluja der Nachbeter ärgern. Doch achte darauf, dabei Deine Haltung 
zum Leben nicht aufzugeben.

Der Ort der Dichtung, ihr Ursprung und Gegenstand ist die Welt, ihre Sehnsucht, Freude und Trauer ist der Mensch. Im Gefängnis separater Werte wird das Wort krank, kann es ersterben. In den Werken der Weltanschauung herrscht der Lärm. Selbst wenn man da ein Wort verlieren könnte, wer 
wollte seinen Atem hören, das Wehen seines Flügels.

Schreibe das Wort eines Menschen, auch der schrägste Ton eines experimentellen Konzerts hat die Möglichkeit zur Berührung. Was nicht berührt, ist das Wort vom Herzen 
eines, einer Schreiben müssenden?

Ein Schiedsrichter möchte Fußball spielen. Hat er dieses Gefühl?: Der Fußballer muß den Ball spüren, der Dichter 
das Echo des Wortes in sich fühlen.

Zur Ermutigung lies die Worte Wielands an einen jungen 
Dichter. War er "besser" als Goethe?

30.5.2014


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