Samstag, 1. Februar 2014

Verhaltene Feier

Dr. Smirc legt sich im Stuhl zurück. Die Stimmung ist verhalten. Die Kapitulation vor dem Dunkel liegt auf den freundlichen Mienen, in den gedämpften Stimmen. Die Erfolge von Kindern und Enkeln werden bescheidener, die Misserfolge deutlicher vorgetragen. Irgendwie distanzierter. Das Alter ist da. Man diskutiert es nicht mehr.

"War Dein Vortrag erfolgreich?" Dr. Warnix, Psychagog im Trauermanagement, ist froh, auf etwas von Interesse angesprochen zu werden. "Na ja! Russen auf Maidan, das klingt irgendwie schräg. Aber Klitschko im Kosakensattel stimmt auch nicht ganz. Irgendwie spielen da auch eine Menge tribaler Aussichten ins Weltbild." Während die Vögel nach ukrainischen Sonnenblumenkernen suchen, bildet sich um die Seelen der Gäste eine von diesen harten, schwarzfarbenen Schalen, die zu nichts taugen als zum Ausspucken, während der ölige Kern... Keiner hat mehr die Energie, in das verlotterre Sovjetkrankenhaus zu sehen, in dem Tatjana dem Tod entgegen dämmert, weil sich Keiner die teuren Medikamente aus D leisten kann. Sie hat diese Message von Edwin Starr aus den 70ern noch in sich, diesen Song "War". Ihr träumt vom Aufräumen unter den Feinden. Sie verliert täglich mehrfach ihre ganze Welt an das Vergessen.

Zwick hält dieses trübsinnige Strinbergtheater nicht aus und holt seine neueste Errungenschaft aus der Handtasche: Hallo, Ihr traurigen Zen-Buddhisten, wie bekommt Ihr denn Eure versifften Teetassen wieder sauber. Lasst uns zaubern mit dem Schmutzradierer! Wischs weg, das Grau! Er wischt mit einer Art weißem Schwamm über den Innenrand seines Samowarbechers und tatsächlich: schon strahlts wie Wodka absolut.

Na ja, denkt die Schar der Gäste, klatscht aber verlegenen Beifall. Dann geht man dazu über, Knochenentzündungen, das Sterben von Freunden und Eltern zu besprechen. Keine Lust mehr auf die Ausbreitung von Renovierungsplänen. Zwick bemerkt schlechte Stimmung für Aktienanlagen. Und die Hintergrundmusik hat heute auch eher den Charakter eines Pflegehandschuhs als den Jazz einer Hoffnung.

Wanda Bierbichler weint. Sie wäre so gerne tot. Das Leben ist gelebt, man wischt ihr mit allerlei Lappen auf allerlei gestresste und desinteressierte Weise den Leib. Sie wird hingesetzt, hingelegt, abgefragt. Ja, es wird wieder grün aus grau. Aber Du verstehst: es macht mir keine Freude mehr. Ich weiß! Das Jetzt genießen. Oder die Erinnerung, so lange es noch geht. Ich denke:"Das Nichts ist auch nicht schlecht. Mein Gott, lass mich! "

Eine Bande Meisen schwirrt in das Geheck der Barbelbeere. Frierend aber voll Erwartung hüpfen sie zwischen den Zweigen umher. Der Nebel im Himmel färbt sich von braungrün zu gelb und für einen Moment ist die Welt in Frühling und Farbe getaucht. Ein Philossor geht vorbei auf der Suche nach Diogenes.
Es klingelt.
Wer kommt denn jetzt noch? Gott hat eine Überraschung dabei. Einen ganzen Sack Lust.

Dr. Warnix leise zu Smirc: " Wer's glaubt! " Smirc:"Na s darowje, Kannitverstan!" Besoffen stolpert man hinaus ins nüchterne Glück. Der Tag ist schon wieder drei Minuten länger.

1.2.2014 Klaus Wachowski





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