Montag, 2. September 2013

Ramsen

Aus dem Wartezimmer für Kassenpatienten des Todes ruft E an. Sie hat eine wichtige Mitteilung über ihren selischen Zustand. Ihr Vertrauen auf Aufmerksamkeit, wie wertvoll. Wenn sie mit D spricht, scheint sie sich doch nicht - wann gehst Du endlich?- abgeschrieben zu fühlen. Sie wird sich nicht mehr dazu aufraffen, heraus zu kommen. Aber es sieht auch nicht danach aus, als ließe sie sich abführen.

In der Nervenklinik tigert Wernie hin und her. Der brennende, gierige, verlassene Blick trifft auf fliehende, ängstliche, verlassene Blicke. Mein Name Bushido!... Aha. Wernie zieht einen Tisch weiter.

Dr. Warnix ist in die Untersuchung eines Gesamtkunstwerks auf okkultes Blut vertieft. Die Verblödung des intelligenten Sektors mit Musik und romanhaftem Alltagsgeschwätz schreitet voran. Man hat kaum noch Zeit, sich um die Landlust der NPD zu kümmern.

Verkaufsoffener Sonntag in Ramsen.

CDU, SPD und FDP, umgekehrt oder umgekehrt stehen in der Fußgängerzone und verteilen Flyer. Schaufenster gähnen in den Strom der erlebnishungrigen Einkäufer, die nichts des Aufhebens wertes mehr finden können. Es riecht leicht faulig nach Frankfurter Buchmesse. Müdigkeit senkt sich in die Herzen. An den Cafe'-Tischen laufen die Gespräche aus. "Wie heißt der Kandidat noch mal?" "Es ist eine Frau!" Aha. "Würdest Du Dich lieber unter der SPD ärgern?" "Und Du? Weiter hören, dass Du selbst schuld an Deiner Armut bist." Familien- und Bildungswahn blicken tief in den Aperol. Auch sie waren einmal - Achtundsechziger. Jetzt steht ihnen das Gefühl Überflüssigkeit ins Gangbild geschrieben.  Sie diskutieren die Themen des ideologischen Managements, als wären es die Eigenen. Dann fahren sie in den Baumarkt der Prozente, die passenden Dübel für  die neue Depression besorgen.

 Ein 7-Jähriger hüpft vor dem Tisch auf und ab. Der Luftballon ist von der SPD, die Zahnspange von der Privatkasse. Ein Lichtstrahl fällt auf die Wespe im Bitterino. Was wäre der Platz ohne all die nervenden Alten?

Die Parteien bauen ihre Stände ab. Der Markt schließt. Die 68er Rentner gehen hinüber in die Festabteilung.  Das Handy vibriert. Unbekannt. Eine Mitteilung aus den letzten Tagen der Einsamkeit.

Wie schön, wie kurz das Leben.   1.9.2013

Keine Kommentare:

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...