Sonntag, 14. Juli 2013

Relaxen in Pjönjang, eine Jean-Pauliade

Haiku

Schmetterlinge und Blüten,
Eindruck in Klopapier.

Der Hämopath und Altneurologe Dr. Warnix klatscht Beifall. Ein Haiku von ursprünglicher Reinheit. Dann beugt er sich wieder über Dr. Smirc: "Aber jetzt mal im Ernst, Vanish! Das sieht mir sehr nach einer Kompetenzdepression aus, nach extensiver Kopfarbeit bei der Bahn!" Verspätung inclusive.

Smirc kommt gerade von der Ausstellung" Hebbel vs. Wagner" im Nibelungenmuseum. Er winkt ab:" Bunter Blubber für Nibelungenhirne! Wettlauf der Verehrer. Früher: wer von ihnen ist mehr,  heute: wer ist weniger Nazi. Natürlich hat die Musik ein Vorrecht auf Schwulst. Aber wenn das Wort aus einem erigierten Willen kommt, wird mir genauso schlecht. "
Intelligenz vom Ballermann der Kulturpatienten. Als er noch Stuhlsteller in St. Maria von der Gnaden war, hatte er in jedem Touristen einen verborgenen Sokrates erkannt. Jetzt, wo Bibel und Bart in die Verfassung beißen, wo gesunder Menschenverstand die Vernunft mit Hass verfolgt, hat er die Hoffnung in die Macht der Kultur verloren. Da gibt es große Ereignisse, Superstars und Familienlooser und jeder versucht, dem Wüstensand seinen Stempel aufzudrücken.
Long Chang in der Via Scarpi dagegen gibt den beiden seltsamen Doktoren eine zischende Zitronenlimo aus. Am Haus über der Straße zupft ein chinesischer Vater unablässig das Haar seines Sohnes zurecht.

Die Szene versinkt augenblicklich im unendlichen Abgrund der Vergangenheit. Die Sorge des Menschen um den Menschen.

Dr. Warnix beginnt damit, über die Schrecken der Vergänglichkeit zu dozieren: "Zeit ist Hirn!  Wenn die Festplatte Gottes den Geist aufgäbe, dann gingen auf einen Schlag all die exakten Verbeugungen vor dem Kommunistenkaiser in Pjönjang verloren. Man stelle sich vor: Das Leuchten von Nordkorea wiche auf einmal dem Nichts hinter den Augen eines Sterbens. Noch ist die Gelangensbestätigung beschlossene Sache, noch kann jeder Exorzist verfolgen, an welcher Stelle sich die schwarz-gelben Fehler einnisten. Aber wie sollte die Polizei gegen Monstranzen einschreiten können, wenn Smadridje, der Entdecker des Hicks, recht hätte und selbst Gott der Ewigkeit nicht entrinnen könnte?

Der Sommer entfaltet seine Blätter in den Tag. Grün stehen die hohen Bäume, die Schatten liegen hell und weit. Die Samenstände an Grashalmen schwanken leise über den fleischigen Blättern eines Heil-und Unkrauts. Die Zwitscher- und die Schnättervögel rufen ihr "Ich bin" und ihr sanfteres "ich bin da" über Weg und Feld. Ein flinker Vierfüßer scharrt nach dem erstem Ding unter den vielen brauchbaren Dingen des Tages. Und die Wolken schwimmen in die Zeit.   Man möchte sich ans Ufer des Rinnsals legen und lauschen, wie der Tag sich erhebt, füllt, sich in den Abend legt und sein Gesicht in der Nacht verbirgt. Aber die Räder rollen vorbei in eigene, unwichtige, Wichtigkeiten.

Ein Kohlweißling an einer Brennmessel, eine Schwebfliege über einer gelben Kamillenblüte locken zurück in die Welt des stillen Fortgangs des Jetzt. Wehmut und Lust, Staunen und Wollen. Heute läutet Gott die Glocken über Hügel und Windräder. Die klingenden Kreise der Virginia Woolf in den Rührwerken der Geschäftigkeit. Man hört den pensionierten Politiker mit seiner Frau schimpfen, im jahrtausende alten Lied der Zikaden. Die Frage scheint unlösbar: wie passt das aufeinander?

Ein Alltagsloser spricht vor. Der Finne Saku Paavola hat die Weltmeisterschaft im Gummistiefel-Weitwurf gewonnen. Er bittet darum, dass seine Spur doch länger erhalten bleibe, als die dieser schrecklichen Preispoeten. So stapft nun ein Gummistiefel durch die Messiewüsten des neuen Barock. Weit warf ihn ein Finne. Nun lacht er wieder, Gott-sei-Dank! Weit über die Kindheit hinaus, nicht weit genug ins Vergessen. "Dann hatten die, die hatten ausgeschenkt. Weiß und Rot."

Madrigalchöre treten an. Sie hoffen gegen die Schmatzgeräusche des Mittelalter-Marktes anzukommen. Aber schon dröhnt das neue Barock von Erleuchtung: Gospel-light reißt ganze Kohorten des Publikums von Kirchenbänken. Der Seniorencoach vom heiligen Stuhl formuliert es während des Demenztrainings im Modul Vergissmeinnicht knapp und präzise: Körper- oder Hirnkonzept!-

Die Lösung lautet "Scheitere selbst!". Das meint jedenfalls der aus seinem Personalrausch aufschreckende Smirc. Das Schnarren des Ernst Jünger und ein meckerndes Lachen wie von Heinrich George hatten seinen Traum in einen Alptraum verwandelt, als zwei sozusagen verlorene Schicksale aufeinander prallten. Eine urologische Meditation trotz laufender OP...

Dr. Warnix kann seinen Neid kaum zurückhalten. Auch er wäre lieber Jesus mit Wabbelbauch als Eso-Guru im Erotik-Fachmarkt. Aber wer alle Energie darauf wendet, stark nach oben zu sein, wird leicht von unten gebissen.   20130713   Klaus Wachowski  

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