Montag, 21. Mai 2012

Tonwertstudie


Unter den Lastwagen lege ich etwas Gewinnerwartung an, für die daneben humpelnde Figur verwende ich eine Grundierung von Trauer mit etwas dunkelgrauer Gleichgültigkeit vom Alltag. Das Geheimnis besteht in einer ausreichenden Verdünnung mit Tränenflüssigkeit.

Der alte Chef stolpert neben dem LKW die Straße entlang und schlenkert zum Ausgleich der jeweiligen Stolperer mit den Armen. Einst war er gefürchtet. Keiner im Amt wagte es, ihn um etwas zu bitten. Jetzt kämpft er gegen den Zerfall an. 


Was hatte er sich denn erhofft? Er kann fernsehen ohne Werbung. Er ist geschieden, braucht keine Rücksicht auf eine Frau zu nehmen. Das Haus hält eine billige Nachbarin sauber. 


Er ist nach seiner Pensionierung plötzlich depressiv geworden. Auch heute redet niemand mit ihm. Er braucht auch heute niemanden. Aber plötzlich ist da lähmende Gleichgültigkeit.-


Und jetzt ist auch noch die Krankheit gekommen, die ihn durch eingegraute Einsamkeiten wanken läßt. 


Dieser Lastwagen aber steht weiß gewaschen und blitzend im Sonntag. In ihm wartet die Hoffnung auf eine Geschäftserweiterung, auf Glanz und Triumph in der Gesellschaft der Streber.


So wankt das Unglück an der Hoffnung entlang, so wartet die Hoffnung, dass das Unglück vorbei geht. Und der Himmel fragt Dich nach dem Sinn Deines Lebens immergleich. 


Woher soll er die Antwort wissen? Sein Kopf ist so leer wie der des gefeierten Dichters. Im Basiliskenblick des ungelebten Lebens, das sich vor den Anforderungen von Liebe und Last in die Betrachtung geflüchtet hat und vertrocknet in den Sonnen- und Regen-Frühling einer dürstenden Aufmerksamkeit raschelt. 


Der vergessene, jeder jugendlichen Provokation hilflos ausgesetzte Provinz-VIP dauert mich schon. Dieses sich Durchwursteln durch den Raum des Desinteresses, hat es nicht auch lange Phasen meines und Deines Lebens vernichtet? War es aber nicht vielleicht auch eine Phase der Erholung von schreienden Hoffnungen?


Gewiß ist die Zeit und die Vielfalt des Lebens begrenzt. Aber es gibt auch jene zeitlosen Augenblicke, in denen wir plötzlich erkennen: Hallo, das, was da in einer depressiven Tönung der Zeit durch den Raum Leere stolpert, das bin ja ich! Und ich spüre Schmerzen in den Füßen und Trauer in meiner Hoffnung. Ich spüre Ich und die Sehnsucht nach einem Du. Und Himmel und Erde haben Farbe und blitzen von Regen, Sonne, Traurigkeit und Freude. 


Zur Abrundung des idyllischen Eindrucks ziehe ich einen Bogen weißer Rosen aus Moldau an grünem Zweig über die Denkfigur. Ein paar geschickt gesetzte Glanzlichter vom Bachelor vollenden schließlich das Werk Hoffnung.


Klaus Wachowski    21.05.12

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