Mittwoch, 18. April 2012

Liebe in den Zeiten von Breivik




Den Thrill von Clockwork Orange mit einer Sinnhaftigkeit vereinen. Manson und Osama waren, Breivik ist so einer. Der eine schreibt "Satan" auf seine Fahnen, der andere besorgt sich Flyer vom heiligen Morgen- oder Abendland. Morgen schon wechselt er vom Nazikloster ins stalinistische Kader des Pol Pot. Das Predigen, nicht der Mensch, ist, was den Narzißten bei Laune hält. Das sanfte Lächeln der Bestie nach dem Schlachtfest, das das sanfte Lächeln in Erwartung des Blutmahls ablöst. Gestern noch Spießer des Internet, heute auf unserer Showbühne.

Er hat die Liebe, die Freundschaft und das Gespräch unter den Menschen gemordet. Wer könnte ihn lieben ohne zu verdorren? Wer könnte so einem noch Freund sein, wer wollte mit ihm ins Schweigen der Gemordeten tönen? Und wer wollte die Seele der Unmenschlichkeit erforschen?

Was ist mit dem Mann?

Der Typ ist auf Droge Blut. Das kennen wir doch: die Liste der Monster in der Zeit ist lang. Auch er hat sein Leben verwirkt. Aber die Menschen sind nicht so, wie er es gern hätte und beschränken sich auf Wegschließen für immer. Er hat gemordet. In den Zoo die Bestie! Ist da irgendwo ein Mensch in ihr, wird er dort zu sich und zur Reue finden.

Sich mit Tätern zu befassen ist leider viel leichter, als sich den Menschen zuzuwenden, die unter ihrem Wahn zu leiden haben. Liebe ist so viel schwerer als Hass oder die Präsentation ostentativen Mitleids für den -Täter. Ja es gibt tatsächlich Leute, die im Verständnis für den armen Mörder keine Zeit für die Opfer haben.

Und noch schwieriger ist es: Ich versuche über die ideologische Monotonie des Angeklagten weg das ängstliche Flüstern eines seiner Opfer an jenem Tag zu hören und schon rutscht die Aufmerksamkeit weg zu einer Wut auf die Medien, denen die Sensation wichtiger ist als der Schmerz. Auch ich höre nicht jenem Mädchen zu, dem die Aufmerksamkeit gebührt.

Gegen den Größenwahn der ideologisierten Hasskappen hilft für gewöhnlich der Blick auf die Menschen, die unter ihrem Terror zu leiden haben. Denn die Liebe, die noch dem fernen Mitmenschen gegenüber zumindest als Schrecken des Mitgefühls fühlbar ist, hat ihren Ursprung nicht in der Zeit, in der das Minderwertigkeitsgefühl manchmal tatsächlich den Thrill des Terrors ausleben kann. Ihr Quell ist die Ewigkeit, vor der das Aufblasen narzißtischer Gehirnfürze zu Weltanschauungen nicht mehr empörend, nur noch lächerlich ist. Umso größer aber ist der Schmerz um die von unserer Seite gerissenen Brüder und Schwestern dieses so kurz aufblitzenden Wunders Leben.

Jetzt höre ich ihr Flüstern wieder, jetzt sehe ich voll Bewunderung einen Menschenbruder sein Boot zur Rettung klarmachen und vor die Mündung des Gewehrfeuers steuern. Der Mörder wird der Reue vielleicht bis zum Ende seines Lebens ausweichen, von der einen Ideologie zur nächsten springen, erleuchtet werden oder doch nur wie Manson durch alle Zeit das Recht auf den Thrill behaupten und weiter weggesperrt bleiben. Wo er nicht bereut, was soll noch an ihm interessieren? Die Opfer haben jetzt die Entscheidung. Und wo sie tot sind, gibt es keine menschliche Instanz der Verzeihung mehr.

Wir aber können nichts weiter tun, als für eine angemessenene und überwachte Isolierung sorgen und uns wieder den Menschen zuzuwenden, die Aufmerksamkeit verdient haben, das Vermögen, das er aus der Welt schießen wollte. Wo es einen Gott gibt, leidet er mit ihnen und den Eltern, die einen Sohn an den Wahn verloren haben.

Die Stimmen der Frühlingsvögel rufen nach Dir. Du sollst das Wunder Leben bewundern! Es ist ihnen sicher noch nicht zugänglich. Sorgen wir dafür, dass ihnen nicht auch noch Gleichgültigkeit von uns Nachbarn den Rückweg ins Leben zustellt.

18.4.2012 KLaus Wachowski

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