Samstag, 31. März 2012

Hinauf sehen



Ich hebe den Blick von den problematischen Verhältnissen des Menschen und entdecke das Graugrün der Kaufhausfassade unter dem Graublau des unentschiedenen Frühjahrshimmels. Über dem Dach ragt eine Baumkrone in von Knospen verdickten Zweigen hervor. Ich versuche die Übung Ewigkeit.

Die architektonische Bedeutsamkeit "wir gestalten dieses Haus in Erinnerung an die Nebel der Kordilleren" oder "dies wird ein Fanal gegen die Architektur der Inbrunst" schrumpft auf die eines Plastiksplitters, die ein ruppiger Fahrrad-Diebstahl zwei Straßen weiter hinterlassen hat, oder auf die problematischer menschlicher Verhältnisse vor dem Tod und der darauf folgenden Zeitspanne des Nichts.

Andererseits steht diese Wand von teuer und unwichtiger Unwichtigkeit vor dem Nichts wie eine Wand. Und die graugrüne Steinfassade, die da von einer Beton-Stahl-Konstruktion hängt, zündet der Sehnsucht in mir ein bengalisches Feuer von Erinnerungen an. Da erscheint wirklich so etwas wie ein Nebel von Sauerstoff vor fernen Bergketten, eine japanische Einsamkeit, ein dekonstruktivistischer Verlust von Hoffnung, das Verlorengehen eines Max Frisch in der Brandung der Lebenslust. 

Ich stolpere über zu meinen Füssen hüpfende Osterhäschen, während ich mir die Nacht des Karfreitag vorzustellen versuche. Vielleicht ist es gerade diese Präsentation der ohnmächtigen Lust auf Dauer in diesem architektonischen Wurf, die den Schmerz der Vergeblichkeit, der Verlassenheit deutlicher ausdrückt als alles Donnern und Blitzen der Nacht des Gottesmordes, als der Mensch den Menschen mordete. 

Wie schön, über ein paar hüpfende und schreiende Kinder zu stolpern, und in die feuchten Wiesen eines Ostern zu fallen, den Blick in die Architekturen der Einsamkeit und in den blau sich entscheidenden Himmel.
Klaus Wachowski 31.3.2012


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