Donnerstag, 23. April 2020

Ein Looser


Tropfen fallen aus dem Dreieck meiner zusammengelegten Hände. Dahinter erscheint das Gesicht des Johnny Depp von Paderborn. Ein Schwarm weißer und schwarzer Falter fliegt von seinen Augenbogen auf. Sieh, die Intellektuellenbrille, zu der er ein feines Lächeln bereit hält. Angestrengt stützt er sich auf, als er von seinem Großstadtbesuch erzählt. Vier Tage hat er Urlaub bekommen. Das Geld reicht für Fahrkarte und Jugendherberge. Bald muss der Chef auf Mindestlohn umstellen und ihn vielleicht entlassen. Aber es ist ein guter Chef.
"Ich habe eine Bekannte besucht. Sie hatte aber nur Montag Zeit. -Hätte ihre Freizeit ja auch anpassen können." So geht er zwei Tage durch Frankfurt. Lang geht er die Gutleutestraße lang. Ein kleiner einsamer Junge von dreißig Jahren. Plötzlich bemerkt er Stiche im Herz. Es wird schon nichts sein.
Ich weiß nicht, was das für eine Trauer ist, die in seine Augen schießt, sie bis oben ausfüllt. Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Sein Bruder besucht ihn etwa ein Mal im Monat. Es gibt noch eine Tante, die Eltern haben einen Campingplatz. Von seinem Opa fallen ihm Frankfurter Kindersprüche ein. Bald wird er zur Arbeit zurückfahren.
Auch die Bekannte hat keine Zeit für mehr. Die Gutleutstraße ist verdammt lang, wenn Du kein Geld hast, wenn da kein Du ist. Ein Radfahrer rempelt ihn an und schimpft. Er versteht das nicht. Der Bürgersteig ist doch für Bürger da.
In star wars rettet er die Welt. Das Buch ist schwer zu lesen. Aber er hat noch 300 Seiten Abenteuer vor sich. Wer hört ihm zu? Auch in Blieskastell hat er eine Bekannte. Seine Trauer füllt sich mit Frankfurter Einsamkeiten.
Sein Lächeln ist nicht von der Sanftmut eines fundamentalistischen Mörders. Es sucht nicht nach Wegen der Herrschaft, nicht nach Möglichkeiten, Leid zuzufügen. Es kommt von den Quellen der Trauer. Es geht die lange, lange Gutleutstraße ab nach einem liebenden Wort, nach einer Berührung.
Morgen werden sie an der A 61 Bäume schneiden. Aber danach Rosen veredeln in den Gärten der Semiramis. Im süßen und bitteren Duft des Weißdorn. Schwarze und weiße Falter steigen von seinen Augenbögen auf. Sie naschen vom Weißdorn, bevor sie weiter in die Einsamkeit fliegen. Vorbei an einer stummen Kindheit, deren dürre Zweige einmal im Monat der Bruder vorbei bringt.
Wir achten ihn nicht unserer Aufmerksamkeit wert. Aber wie ist das, wenn wir das Lied Eleanor Rigby mitsummen? Oder, You know,: The streets of London.
21.3.03 Quan On

Keine Kommentare:

Tauben-Gurren in Klagenfurt

Das Drama des verehrten Kindes Freien Herzens kann ich heute sagen, daß ich Dichter bin und nicht unsäglicher Reimeschmied. Am leichtesten...